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Debüt beim BRSO: Dirigentin Mirga Gražinytè-Tyla "Ich bin ein ungeduldiger Mensch"

Die litauische Dirigentin Mirga Gražinytė-Tyla ist erstmals zu Gast beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. 1986 in Vilnius geboren, gehört sie heute zu den erfolgreichen Dirigentinnen unserer Zeit. Im BR-KLASSIK-Interview spricht sie über das erste Date mit einem Orchester, über Gemeinsamkeiten von Litauen und Bayern und über ihren persönlichen Brexit, denn sie verlässt das City of Birmingham Symphony Orchestra.

Bildquelle: © Frans Jansen

BR-KLASSIK: Frau Gražinytė-Tyla, Sie geben in dieser Woche Ihr Debüt beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Wie gehen Sie vor, wenn Sie zum ersten Mal vor einem für Sie neuen Orchester stehen?

Mirga Gražinytė-Tyla: Ein Debüt, das klingt sehr aufregend und ist es ja auch. Aber ich würde den Fokus eher darauf legen, dass es etwas sehr Schönes ist, wie zum Beispiel wenn zwei Menschen, die sich noch nicht kennen, aufeinandertreffen wahrscheinlich mit Neugier und im schönsten Fall mit Offenheit und schauen, was für ein Gespräch sich entwickelt. Und sehr ähnlich ist es beim Debüt mit einem Orchester.

Liebe zum Singen, Liebe zur Natur und auch Liebe zur Freiheit.
Mirga Gražinytė-Tyla über die Verbindung von Litauen und Bayern

BR-KLASSIK: Sie kommen ja aus Litauen. Dieses Konzert mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks bildet den Auftakt des litauischen Kulturjahres in Bayern und steht unter dem ganz schön optimistischen Motto: "Ohne Distanz –  Litauische Kultur in Bayern". Was verbindet denn Litauen mit Bayern?

Mirga Gražinytė-Tyla: Ich würde mal schätzen: Liebe zum Singen, Liebe zur Natur und auch Liebe zur Freiheit.

BR-KLASSIK: Auf jeden Fall ist es eine spannende Gelegenheit, hierzulande litauische Kultur in allen möglichen Facetten kennenzulernen.

Mirga Gražinytė-Tyla bei einer Probe mit dem BRSO | Bildquelle: Astrid Ackermann Mirga Gražinytė-Tyla:  So wie es auch natürlich für uns aus Litauen etwas ganz Besonderes ist, noch stärker eine Brücke zu Bayern zu bauen. Es geht ja um die wichtige Frage nach einer Nation und deren Kulturtradition. Allerdings sollte sie im besten Fall immer auch zu einer noch größeren, globalen Verbindung führen. Und genau dafür ist Kultur ein wunderbarer Weg. Denn wenn wir offen sind, die Stärken der jeweiligen Kultur kennenzulernen, sie auch zu akzeptieren und uns daran zu erfreuen, dann werden wir nicht wanken, auch wenn wir auf Schwächen stoßen.

Brexit und mehr: Abschied vom City of Birmingham Symphony Orchestra

BR-KLASSIK: Sie sind jetzt schon in der fünften Saison Music Director beim City of Birmingham Symphony Orchestra. Das war bislang eine auch internationale Erfolgsgeschichte. Aber Sie haben Ihren Vertrag über 2022 hinaus nicht verlängert. Warum?

Mirga Gražinytė-Tyla: In einem Menschenleben ist das immer so die Frage: Wonach sucht man, und was ist einem selbst am Wichtigsten? Ich bin auch traurig über diesen Schritt, diese Position zu verlassen beim CBSO. Aber für mich ist es in dieser Lebensphase einfach genau das Richtige. Und ich kann mich auf die weitere Zusammenarbeit mit dem CBSO freuen, die  da bin ich mir ganz sicher  erhalten bleiben wird.

BR-KLASSIK: Man kann natürlich auch vermuten, dass es auch mit dem Brexit zu tun hat, oder?

Mirga Gražinytė-Tyla: Es sind sehr viele Gründe. Und der Brexit ist leider irgendwo auch dabei.

Vielleicht bin ich ein ungeduldiger Mensch.
Mirga Gražinytė-Tyla

BR-KLASSIK: Simon Rattle, der ihr Freund ist und auch ihr Förderer ist, verlässt das London Symphony Orchestra 2023 und wird Chefdirigent bei unserem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Sie verlassen jetzt Birmingham ein Jahr früher. Das ist eigentlich ein schlechtes Zeichen für die Kultur in Großbritannien.

Mirga Gražinytė-Tyla: Die Frage ist, worauf man den Blick legt. Ich glaube, das Orchester ist ständig auf der Suche, entwickelt sich weiter. Die momentane Coronazeit ist für das CBSO alles andere als eine leicht. Trotzdem gibt es da sehr starke Strömungen, die sehr überzeugend nach Neuem, nach noch Neuerem suchen, zum Beispiel nach noch mehr Verbindung zu der Stadt, zu den Kindern dort, zu den anderen Künstlerinnen, Künstlern und Kulturorganisationen. Das finde ich ganz toll. Und ich sehe, dass aus diesen Samen, die wir zu einem großen Teil auch gemeinsam gesät haben, die aber natürlich auch eine hundert Jahre lange Geschichte haben, sehr vieles noch entstehen wird.

BR-KLASSIK: In Ihrer Karriere fällt eigentlich auf, dass Sie feste Positionen immer nur für eine begrenzte Zeit eingegangen sind. Auch an den Theatern von Heidelberg, Bern und Salzburg waren Sie immer nur relativ kurz. Heißt das, Sie sind selbst noch auf der Suche?

Mirga Gražinytė-Tyla: Da muss ich jetzt lachen. Das stimmt irgendwo. Aber vielleicht bin ich auch einfach ein ungeduldiger Mensch. Es fühlt sich danach an, als ob es das Richtige wäre. Man wird es später sehen.

Das Gespräch für BR-KLASSIK führte Fridemann Leipold.

Sendung: "Allegro" am 26. März 2021 ab 06:05 Uhr in BR-KLASSIK

Das Konzert am Freitag, 26. März 2021, wird ab 20:05 Uhr in BR-KLASSIK und auf BR-KLASSIK CONCERT übertragen.

Programm und Mitwirkende:
Mieczysław Weinberg: Symphonie Nr. 2
Wolfgang Amadeus Mozart: Klavierkonzert B-Dur, KV 595
Ludwig van Beethoven: Leonoren-Ouvertüre Nr. 3 C-Dur
Francesco Piemontesi, Klavier
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Mirga Gražinytė-Tyla, Dirigentin