Am 7. Oktober feierte Wolfgang Amadeus Mozarts Oper "Così fan tutte" unter der musikalischen Leitung von Enrico Calesso Premiere. So machen es alle, oder nicht? Zu Mozarts Zeiten, im Rokoko, war Treue jedenfalls keine Kardinaltugend. Liebe sollte allzeit vergnüglich bleiben. In Würzburg gelang eine überzeugende "Così fan tutte"- Inszenierung. Eine Kritik von Peter Jungblut
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Sie waren also doch zu pessimistisch, Mozart und sein Textdichter Lorenzo da Ponte: Nein, nicht alle Frauen sind untreu, nur ungefähr 55 Prozent. So jedenfalls war es auf der Bühne des Würzburger Mainfrankentheaters zu lesen, und die Dramaturgen werden ja wohl gründlich recherchiert haben! Gleichwohl bleibt "Così fan tutte" natürlich aktuell, geht es doch um die Unfähigkeit, den eigenen Treueschwüren zu genügen, Moral nicht nur zu predigen, sondern zu leben. Wer wäre daran nicht schon mehrmals gescheitert?
Äußerst vergnüglich, aber auch etwas melancholisch wird das in der Inszenierung von Martina Veh vorgeführt: Ihre Ausstatter Momme Hinrichs und Torge Møller lassen in einer Videoprojektion während der Ouvertüre eine riesige Beziehungskiste durch den Raum schweben. Wie sich schnell herausstellt, ist da drin jede Menge los, und, ehrlich gesagt: Die Kiste ist nicht sehr haltbar, aber dafür äußerst biegsam. Kann schon passieren, dass sie auseinander fällt, dass sich in ihr Abgründe auftun, dass sich Wände und Perspektiven verschieben, ja etliche neue Kisten aufkreuzen, große wie kleine. Und drum herum wachsen paradiesische Blumen, die allerdings verdächtig nach männlichen und weiblichen Geschlechtsorganen aussehen. Offenbar wird dieser Garten der Lüste kräftig mit Hormonen gedüngt.
Regisseurin Martina Veh schaffte es auch, die Längen in "Così fan tutte" weitgehend vergessen zu machen: Natürlich, heute würde Mozart das Ganze vermutlich in 90 Minuten erzählen, um dreieinhalb Stunden ebenso schnell vergehen zu lassen, bedarf es vieler optischer Einfälle. In Würzburg hatte die Bühnenmaschinerie denn auch soviel zu tun, dass sie hier und da vernehmlich knirschte und manche Drehung sinnfrei hinter sich bringen musste. Dafür glänzte der italienische Generalmusikdirektor Enrico Calesso einmal mehr mit seiner hingebungsvollen Leidenschaft: Er spielt alle Rollen selbst mit, buchstabiert jedes Wort voller Begeisterung, seufzt und lacht, ist gleichzeitig Kraftwerk und Magnetpol der Aufführung, an dem sich alle ausrichten. Eine überzeugende Leistung, auch von den Würzburger Philharmonikern.
Premiere: 8. Oktober 2017
Dirigent: Enrico Calesso
Regie: Martina Veh
Bühnenbild: Momme Hinrichs, Torge Møller
Weitere Termine und Infos zum Vorverkauf finden Sie auf der Homepage vom Theater Würzburg.
Sendung: "Allegro" am 9. Oktober 2017, 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK