Zu Mozarts Geburtstag gedenkt die Stiftung Mozarteum jedes Jahr des berühmten Sohnes der Stadt traditionell mit einer Festspiel-Woche. Am Freitag begann die Mozartwoche 2018 mit einer Neuproduktion des Singspiels "Die Entführung aus dem Serail", inszeniert von Andrea Moses und dirigiert von René Jacobs.
Die Auseinandersetzung mit den Türken als fremder, bedrohlicher Macht war ein Thema zu Mozarts Zeit, und er hat es häufig musikalisch verarbeitet. Das sogenannte Türkenkopfstechen gehörte im 17. Jahrhundert zur Ausbildung der Kavallerie.
Orientalisch ausstaffierte Puppen wurden zum Training aufgespießt und geköpft. Ein Deckenfresko mit einer solchen Szene ziert den Karl-Böhm-Saal des Salzburger Festspielhauses, in dem das Publikum in der Pause den Sekt genießt. In der Neuproduktion der "Entführung aus dem Serail" sieht man einen Ausschnitt dieses Freskos seitlich auf dem Prospekt. Davor nimmt ein ergrauter, schlanker Herr in einem Regiestuhl platz. Es ist der Schauspieler Peter Lohmeyer als Bassa Selim, der in Andrea Moses´ Lesart für das Folgende als Filmregisseur verantwortlich sein wird. Das Spiel im Spiel beginnt.
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Bassa Selim hat nach einem Skandal seinen Job als Modefotograf verloren und musste Europa verlassen. Das zeigt ein Video während der Ouvertüre. Danach hat er seine Karriere in der Türkei als Filmemacher erfolgreich fortsetzen können und dreht nun Werbespots für eine türkische Fluglinie - und eine Lovestory über sich selbst und Konstanze. Sein Heim ist ein in den Wolken schwebender türkischer Teppich, zu dem man nur über eine große Showtreppe gelangen kann. Sowohl das Bühnenbild von Jan Pappelbaum, als auch die originelle Verortung der Regisseurin Andrea Moses sind ein witziger, überraschender Einstieg in diese neue "Entführung aus dem Serail". Doch was spaßig beginnt, verläuft sich bald in klamaukigen und auch klischeebeladenen Slapstick-Szenen, in denen die jungen Solisten mehr schlecht als recht zur Geltung kommen. Diese Leute sind alle hoch neurotisch, und bald weiß man nicht mehr, was gespielt und was echt sein soll in dieser überdrehten Filmgesellschaft. Da können Sebastian Kohlhepp als Belmonte und Robin Johannsen als sehr leichtgewichtige Konstanze noch so schön singen.
Auch die Musik im historisch orientierten Klanggewand gibt sich anders, als sie eigentlich ist. Mit rasanten Tempi und viel zusätzlichem Verzierungs-Firlefanz wird Mozart hier vermeintlich aufgepeppt und bleibt dadurch erschreckend oberflächlich. Selbst René Jacobs scheint das Werk nicht ernst zu nehmen.
Türkischer Marsch, maurische Trauermusik und improvisierte Untermalungen der Dialoge am Hammerklavier - zu viele Register werden gezogen und die Musik dadurch beinahe zu Tode zitiert. Die ungestrichene Fassung und die ausgebreiteten, bearbeiteten Dialoge dehnen das heitere Spiel zum quälend zähen Dreistünder, ohne dass die Regie eine schlüssige Auflösung für ihren neuen Einfall findet. Schade für die eigentlich schönen Stimmen von David Steffens als blutjunger Osmin, von Nikola Hillebrand als vorzügliche Blonde, und schade für Mozart, dem man als Geburtstagsgeschenk wirklich eine beseeltere zeitgenössische Interpretation seiner Oper gewünscht hätte.
Sendung: "Piazza" am 27. Januar 2018 ab 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Inszenierung: Andrea Moses
Musikalische Leitung: René Jacobs
Das vollständige Programm der diesjährigen Mozartwoche vom 26. Januar bis 4. Februar 2018 finden Sie hier.