Auch die Musikverlage leiden darunter, dass es mindestens bis in den Januar hinein in Bayern coronabedingt keine Konzerte und keine Opern vor Publikum geben wird. Denn wo nichts aufgeführt wird, werden keine Noten ausgeliehen, gibt es keine Aufführungslizenzen, keine GEMA-Abrechnungen. Besonders hart hat es den Schott-Musikverlag getroffen. Dabei wollte das traditionsreiche Unternehmen in diesem Jahr eigentlich sein 250-jähriges Jubiläum feiern.
Beim Schott-Musikverlag in Mainz sind die meisten der 170 Mitarbeitenden in Kurzarbeit. Die Einnahmen durch Aufführungslizenzen sind in diesem Jahr um 80 Prozent zurückgegangen. Der Grund: Wenn der Schott-Verlag Noten für eine Aufführung zur Verfügung stellt, kassiert er dafür eine Lizenz. Die Höhe hängt davon ab, wieviel das entsprechende Opernhaus oder Orchester einnimmt. Wenn also nur 50 statt 1.000 Tickets verkauft werden, kommt auch weniger beim Verlag an. Und bei einem Geisterkonzert per Stream hat der Verlag viel weniger Einnahmen als bei einem ausverkauften Haus.
Die Folgen sind weitreichend, erklärt Christiane Albiez vom Schott-Verlag. Denn schließlich konzentriert sich der Verlag sehr stark auf zeitgenössische Musik. Etwa 1.000 Komponistinnen und Komponisten sowie weitere Urheber geraten nun mit in die Krise. Normalerweise leitet der Verlag von Tantiemen, die er für eine Aufführung kassiert, einen Großteil an die Urheber weiter. Doch in der Corona-Krise ist alles anders: "Wenn wir nichts verdienen, dann verdienen auch unsere Komponistinnen und Komponisten in diesem Jahr nichts", sagt Albiez. Sie ist Mitglied der Geschäftsleitung im Schott-Verlag.
Seit März habe kein einziger Komponist, der bei Schott unter Vertrag ist, einen neuen Kompositionsauftrag erhalten. Christiane Albiez kann das nachvollziehen, denn die Opernhäuser und Orchester können in dieser unsicheren Lage nicht planen und halten sich zurück mit Aufträgen. Aber gerade jüngere Komponistinnen und Komponisten geraten so in eine prekäre Situation, warnt die Mitarbeiterin des Schott-Verlags: "Ein junger Komponist hat ja noch nicht so viele Werke präsent, dass er von den Tantiemen leben könnte", so Albiez. Umso wichtiger seien für ihn Honorare für neue Werke, die er schreibt.
Der Henle-Verlag in München ist die Ausnahme in der Branche. Zehn Prozent mehr Umsätze konnte Henle in diesem Jahr machen. Verlagsleiter Wolf-Dieter Seiffert spricht vom besten Geschäftsjahr aller Zeiten. Das liege daran, dass Henle von der rechtfreien Musik der großen Klassiker lebt. "Unser Katalog besteht überwiegend aus der Solomusik des großen Repertoires von Bach bis Berg und aus der kleiner besetzten Kammermusik," erklärt Seiffert, "und das kommt uns in der Krisenzeit sehr stark zugute."
Wolf-Dieter Seiffert beobachtet, dass Menschen sich in Krisenzeiten in die eigenen vier Wände zurückziehen und wieder mehr Hausmusik machen, und zwar weltweit. Amateure holen ihr altes Instrument aus dem Schrank, Profis nutzen die Zeit, um neues Repertoire einzustudieren. Anhand der Noten-Downloads über die Henle-App kann Seiffert sehen: Im Frühjahr und im Herbst war die Nachfrage nach Werken für Soloklavier und Kammermusik besonders groß. Dabei gehe Chopin besser als Schumann – und Beethoven in diesem Jubiläumsjahr natürlich besonders gut. In Deutschland seien Klaviertrio und Streichquartett besonders gefragt, mehr als etwa in den USA.
Die verstärkte Nachfrage nach Noten für kleinere Besetzungen will auch Breitkopf & Härtel nutzen. Der Verlag hat im April das Programm "Zuhause"-Musik gestartet, mit Werken, die im Familien- und Freundeskreis musiziert werden können. Von "Bestellfluten" will Breitkopf & Härtel-Geschäftsführer Nick Pfefferkorn nicht sprechen: "Aber wir merken es schon, dass gerade diese Werke, die wir dort zusammengestellt haben, in den Verkaufszahlen angezogen haben." Pfefferkorn wertet das als ein deutliches Signal, dass der Drang, Musik zu machen, vorhanden ist. Und das macht ihn sehr froh.
Sendung: "Leporello" am 10. Dezember 2020 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK