Er wirkte bis ins hohe Alter jugendlich und galt als der Grandseigneur der französischen Dirigierkunst - immer stellte sich Georges Prêtre ganz in den Dienst des Komponisten. Nun ist der Maestro im Alter von 92 in seiner Heimat Frankreich verstorben.
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Als "Vulkan am Dirigentenpult" oder "Maestro 100.000 Volt" wurde er oft tituliert. Und lange, sehr lange, schien es, als könnten die Jahre seinem sprühenden Temperament nichts anhaben. Als er 2008 das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker leitete, war er der bisher älteste Dirigent. Und er bewies er laut Philharmoniker-Vorstand Clemens Hellsberg: "Das Alter ist nur eine Zahl im Reisepass. Sie werden kaum einen jugendlicheren Künstler in der internationalen Musikszene finden als Georges Prêtre." Zu diesem Zeitpunkt war er 83 und riss in Wien Publikum wie Orchester derart mit, dass er 2010 erneut eingeladen wurde.
Radio-Tipp: Zum Tod des Dirigenten Georges Prêtre ändert BR-KLASSIK sein Programm und sendet am 5. Januar um 14.05 Uhr eine Sonderausgabe der Sendung Panorama.
Und das, ohne die Sinfonik zu vernachlässigen: Seinen Lieblingsorchestern wie den Wiener Symphonikern und Philharmonikern, dem Santa-Cecilia-Orchester in Rom, dem Orchestre de Paris oder dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart hielt Prêtre jahrzehntelang die Treue - und umgekehrt: Wer einmal mit ihm gearbeitet hatte, wünschte ihn sich immer wieder ans Pult zurück, denn bei aller Bestimmtheit und Autorität war stets klar, dass es ihm um den Dienst an der Musik ging. Prêtre hasste den Begriff der Tradition, wenn er Gewohnheit, Bequemlichkeit und Schlamperei bemäntelte.
Man muss dem Komponisten und nicht sich selbst dienen, und mit der Tradition - ab in den Locus.
Genauso wie dem Komponisten Francis Poulenc: Prêtre machte seine Bekanntschaft 1959, als er an der Pariser Opéra comique dessen Oper "La voix humaine" zur Uraufführung brachte.
Gepriesen sei der Tag, an dem Georges Prêtre das Licht der Welt erblickte - mein bevorzugter Dirigent!
Diese Worte standen auf einem Billett, das Francis Poulenc dem Maestro am Tag nach der Premiere zusandte. Die Sympathie beruhte auf Gegenseitigkeit: Prêtre entwickelte sich bald zum Vorkämpfer von Poulencs Schaffen und spielte bis auf wenige Ausnahmen sein gesamtes Orchester- und Chorwerk auf Schallplatte ein.
Nicht als "Dirigenten" bezeichnete sich Prêtre, sondern als "Interpreten", denn zur Kunst, eine Partitur zum Leben zu erwecken, gehörte für ihn unendlich viel mehr als nur den Takt zu schlagen. Diese persönliche Authentizität spürte auch das Publikum, wann immer der "Maestro con brio" am Pult stand; denn egal, ob er Johann Strauß oder Richard Strauss, Bellini oder Bizet, Puccini oder Poulenc dirigierte - Georges Prêtre tat es immer genauso, wie er es fühlte.