Er war eine Erscheinung und ein Mysterium: Ein Doktor, ohne je promoviert zu haben, ein Turban-Träger und ein Hammondorgel-Magier. Dr. Lonnie Smith ist am 28. September 2021 im Alter von 79 Jahren verstorben.
Die Orgel ist ein Orchester. Sie hat einen Bass, die Harmonien und dazu die Melodie - alles ist da! Und sie hat einen mächtigen Sound!
Die Worte eines Zauberers! Dr. Lonnie Smith war eine der schillerndsten Figuren des aktuellen Jazz und das nicht nur wegen seines Outfits: auf der Bühne immer mit Turban oder anderer ausgefallender Kopfbedeckung, dazu eleganter Gehstock mit Knauf und bodenlanges Gewand. Seine Musik hatte auch etwas Mysteriöses: Ein Gurren, ein Grummeln, ein Säuseln, das sich zum Groove-Sturm aufbrauste. Beim Gespräch im Jahr 2017 beim Jazzfest Berlin, Dr. Lonnie Smith war da 75 Jahre alt, lächelte er aus seinem jugendlich verschmitzten Gesicht mit dem weißen Spitzbart, und die wachen, schelmischen Augen strahlten. "Spiel nicht, was du geübt hast, hab keine Angst, unbekanntes Terrain zu betreten, denn das bringt dich weiter. Das ist großartig, das ist aufregend. Das ist Leben, das ist Musik!"
Lonnie Smith wurde Mitglied im Quartett des Gitarristen George Benson und spielte später in der Band des Altsaxophonisten Lou Donaldson. Die Musiker, die Smith umgaben, waren bestens ausgebildet und hatten jahrelange Erfahrung auf ihren Instrumenten. Lonnie aber hatte vor allem "Feeling, Liebe und das Verlangen Musik zu machen, das war alles." Das brachte Dr. Lonnie Smith sehr weit: Rund 30 Alben veröffentlichte er unter eigenem Namen heraus, viele davon beim Label "Blue Note" und bei seinem eigenen Label "Pilgrimage". Er wurde 2017 zum NEA Jazz Master ernannt, eine hohe Kulturauszeichnung der USA, und war bis ins hohe Alter weltweit auf Tournee. Genregrenzen interessierten ihn nicht, auf seinem letzten Album "Breath", im März 2021 erschienen ist etwa Rocksänger Iggy Pop als Gast dabei.
Immer war Smiths Musik geprägt von seinem untrüglichen Gefühl für Groove, seinem Gespür für perfekt-swingendes Timing, tief im Blues und Gospel verwurzelt, aber auch mit der blitzschnellen Kantigkeit des Funk versehen. Er hatte die Gabe, mit Melodien Geschichten zu erzählen und mit seinem unkonventionellen Verständnis für Klänge Spannung zu erzeugen. Dazu kam die rätselhafte und auch etwas schräge Aura des Musikers, der seine Konzerte zu Kultereignissen machte. Klänge, Grooves und Themen wurden von ihm und seinen Mitmusikern nicht nur gespielt, sie wurden zelebriert.
Seine musikalische Geschichte hat der Mann mit dem Turban gerne erzählt. Immer war sie besonders, etwas eigenartig, kauzig und zauberhaft zugleich. Der Hammondorgel-Magier Dr. Lonnie Smith ist am 28. September im Alter von 79 Jahren in Fort Lauderdale in Florida, wie seine Managerin bestätigte.