Die Schließung von Theatern und Kozertsälen betrifft auch die Bayerische Staatsoper. Im Interview mit BR-KLASSIK erklärt Intendant Nikolaus Bachler, wie er das Haus durch die Krise führen und in den Köpfen der Menschen präsent halten will.
BR-KLASSIK: Herr Bachler, das hätten Sie sich wahrscheinlich nicht träumen lassen, dass für fast sechs Wochen alle Vorstellungen an der Bayerischen Staatsoper abgesagt werden müssen bzw. dass Sie vor leerem Haus spielen werden. Ihre neuen "Masnadieri" können Sie jetzt nicht zeigen.
Nikolaus Bachler: Ich glaube, das hätte sich niemand vorstellen können. Es ist natürlich schrecklich. Denn Theater lebt vom Publikum, und ohne Publikum ist das Theater nichts. Also für uns gibt's da fast keine schlimmere Vorstellung.
Es gibt derzeit Reaktionen, Überreaktionen, Unterreaktionen.
BR-KLASSIK: Jetzt ist Krisenmanagement gefragt. Ich habe von einem Online-Spielplan gehört. Was haben Sie vor?
Nikolaus Bachler: Einen Online-Spielplan können wir nicht anbieten. Das würde auch keinen Sinn machen. Aber wir wollen natürlich in Erinnerung bleiben mit unserer Arbeit. Und wir werden daher den einen oder anderen Live-Stream machen. Wir beginnen schon mit dem Akademie-Konzert am 16. März. Wir werden "Schwanensee" und weitere Vorstellungen im Live-Stream zeigen. Aber das ist natürlich überhaupt kein Ersatz. Theater ist Kommunikation. Und ich hoffe, dass es nicht so lange dauert und nicht noch schlimmer wird, wovon ja viele sprechen. Auch die Virologen sind ja alle sehr unterschiedlicher Meinung. Ich glaube, das Grundproblem ist, dass es niemand wirklich weiß und dass wir Krisen nicht gewohnt sind. Daher gibt es Reaktionen, Überreaktionen, Unterreaktionen ... Alles ist im Moment ein bisschen sehr chaotisch.
BR-KLASSIK: Herr Bachler, steht das Callas-Projekt von Marina Abramovic auf der Kippe?
Nikolaus Bachler: Schauen Sie: Was wir im Moment tun können, ist so weiterzuarbeiten, als würden wir übermorgen wieder aufmachen. Und das ist auch unsere einzige Möglichkeit: nämlich künstlerisch tätig zu sein. Und natürlich arbeiten am Callas-Projekt so, als hätte es am 11. März Premiere. Wenn es so bleibt, wie es jetzt ist, wird es nicht Premiere haben können. Aber wir werden für alles einen Weg suchen. Es ist natürlich bitter, wenn Menschen wie jetzt bei "I masnadieri" sechs Wochen proben - und dann dürfen sie es gerade ein einziges Mal aufführen.
BR-KLASSIK: Das Publikum bekommt ja die Eintrittspreise zurückerstattet. Dadurch entsteht ein großes Defizit. Wer kommt dafür auf? Sind das Versicherungsfälle oder ist das höhere Gewalt?
Wir versuchen, präsent zu bleiben, auch in den Köpfen des Publikums.
Nikolaus Bachler: Ich glaube, da ist die Oper ein ganz kleiner Stein. Niemand kann überhaupt die Folgen absehen, die wirtschaftlich entstehen aus der jetzigen Situation. Die werden uns lange begleiten, das sage ich, ohne Virologe zu sein. Natürlich entsteht der Bayerischen Staatsoper ein ganz großer Schaden, da wir natürlich auch ein sehr gut besuchtes Haus sind und sehr viele Einnahmen haben. Das wird dann irgendwann natürlich genauso wie alle anderen Fragen eine Sache der öffentlichen Hand werden.
BR-KLASSIK: Befürchten Sie, dass Sponsoren, auf die Sie ja sehr angewiesen sind, weniger werden geben können oder sich sogar zurückziehen?
Nikolaus Bachler: Genau aus diesem Grund versuchen wir, präsent zu bleiben, übrigens auch in den Köpfen des Publikums. Denn wenn man sechs Wochen nicht in ein Theater oder in ein Konzert geht, dann droht das ja auch irgendwie aus dem Leben ein bisschen zu verschwinden. Das Gleiche ist mit den Sponsoren. In fünf oder auch drei Wochen werden mehr wissen - und demnach reagieren.
Sendung: Leporello am 11. März 2020 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK.