Im letzten Jahr wurde dem Notos Quartett der "ECHO Klassik" verliehen. Nun gaben die Musiker den Preis zurück. Die ECHO-Gewinner protestieren damit gegen die Ehrung der Rapper Kollegah und Farid Bang. Pianist Igor Levit bezeichnete die Auszeichnung für die umstrittenen Rapper als "vollkommen verantwortungslosen, unfassbaren Fehltritt der ECHO-Jury" und gab seinen ECHO von 2014 ebenfalls zurück. Weitere Künstler, wie Enoch zu Guttenberg oder Klaus Voormann, schlossen sich nun dem Protest in gleicher Weise an, das BR-Symphonieorchester nimmt Abstand von seiner ECHO-Auszeichnung.
Bis vor kurzem noch war der ECHO für das Notos Quartett "der renommierteste und größte Musikpreis Deutschlands". Auf Facebook teilten die ECHO-Gewinner nun mit, dass sie ihre Auszeichnung zurückgeben. Ihr Protest richtet sich gegen die Ehrung der Rapper Kollegah und Farid Bang, deren Songs einzelne Textzeilen enthalten, die als antisemitisch kritisiert werden. "Die Tatsache, dass nun eben dieser Preis offenen Rassismus toleriert, ihm gar eine Plattform bietet und ihn auszeichnet, ist für uns nicht tragbar".
Über die Entscheidung der Verantwortlichen, "antisemitisches und menschenverachtendes Gedankengut sowie die Verhöhnung von Opfern des Holocaust mit einem Preis zu würdigen", zeigten sich die Berliner Musiker "zutiefst erschüttert". Die ECHO-Auszeichnung sei für sie nun "nichts mehr als ein Symbol der Schande". Das Notos Quartett war im Oktober 2017 in der Kategorie "Nachwuchskünstler des Jahres" mit dem "ECHO-Klassik“ geehrt worden.
Auch Igor Levit gab seinen ECHO-Klassik aus dem Jahr 2014 zurück. Für den Pianisten ist die Preis-Vergabe an die beiden Rapper "ein vollkommen verantwortungsloser, unfassbarer Fehltritt der ECHO-Jury und gleichzeitig auch Ausdruck für den derzeitigen Zustand unserer Gesellschaft", schrieb Levit auf Twitter. "Antisemitischen Parolen eine solche Plattform und Auszeichnungen zu geben, ist unerträglich."
Die Institution ECHO ist vorbei. Denn das ist jetzt ein Makel, den kann man eigentlich nicht loswerden.
Der Dirigent Enoch zu Guttenberg hat sich mit seinem Orchester der KlangVerwaltung ebenfalls eingereiht, und gab die ECHO-Trophäe aus dem Jahr 2008 ab, die er für die Einspielung der 4. Bruckner-Symohonie erhielt. Der Dirigent äußerte sich empört: "Es ist für mich undenkbar, diesen Preis zu behalten." In einem Interview gegenüber dem BR sagte er mit Blick auf den Ethik-Beirat des Musikpreises: "Woanders werden Holocaust-Leugner verhaftet - und die sagen: 'Machen wir nochmal ‘nen Holocaust.‘ Die gehören ins Gefängnis. Und auch die, die das durchgehen lassen.“ Er erwarte eine Entschuldigung des Gremiums und hoffe, "dass die Institution ECHO vorbei ist. Denn das ist jetzt ein Makel, den kann man eigentlich nicht loswerden“.
Nach Ansicht von Jansons liege das Problem ohnehin tiefer. Wenn man es mit der Rückgabe eines Preises lösen könnte, wäre das ein sehr leichter Weg, sagte der Musiker, der 1943 im Ghetto von Riga als Sohn einer jüdischen Mutter zur Welt kam. Es habe vielmehr mit Intelligenz, Kultur und Mentalität zu tun, ob man verstehe, dass man so etwas nicht machen könne. Er habe sich mit den umstrittenen Texten von Farid Bang und Kollegah beschäftigt. "Das ist über die Grenze", erklärte Jansons.
Auch der Musiker und Grafiker Klaus Voormann hat sich dem Protest gegen die Würdigung der Rapper angeschlossen und seine eigene Trophäe zurückgegeben, die er am vergangenen Donnerstag für sein Lebenswerk bekommen hatte. "Was sich für mich als Geschenk anlässlich meines 80. Geburtstags anfühlte, entpuppt sich nun als große Enttäuschung", teilte Voormann mit.
Der Mangel an Sensibilität ist unerträglich
Der Rockmusiker Peter Maffay äußerte sich empört: Die Verleihung sei gerade angesichts der deutschen Vergangenheit eine "Ohrfeige für das demokratische Verständnis in unserem Land". Zudem habe sich der ECHO zu einem reinen Vermarktungsmodell entwickelt. "Es geht um Geld, um Marktanteile und um Selbstdarstellung. Die Künstler selbst sind nur noch Statisten."
Maffay fordert ein ethisches Grundverständnis, das bindend für alle sei. Wer sich nicht daran halte, könne nicht erwarten, beim ECHO berücksichtigt zu werden. Außerdem müsse die Transparenz, die völlig abhanden gekommen sei, wieder her. Es müsse ein anderes Regelwerk geben. "Wenn das nicht geschieht, dann hat der ECHO keine Daseinsberechtigung mehr", sagte der deutsche Rockmusiker.
Inzwischen hat der Bundesverband Musikindustrie sich zu den zahlreichen Vorwürfen geäußert: "Wenn im Zuge der aktuellen Diskussion Künstler entscheiden, ihren ECHO zurückzugeben, bedauern wir das zutiefst, müssen diese Entscheidung aber natürlich respektieren. Wir hoffen, dass die Künstler trotzdem die Debatte mit uns weiter führen, in der es um mehr als um diesen Musikpreis geht", teilten die Verantwortlichen mit. Der Bundesverband Musikindustrie würde als Verband und als Veranstalter des ECHO jede Art von Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Frauenfeindlichkeit, Homophobie und Gewaltverherrlichung ablehnen, hieß es weiter.
Die zahlreichen Proteste der Künstler haben eine Diskussion um die ECHO-Verleihung entfacht. Florian Drücke, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Musikindustrie hat angekündigt, dass der Preis nach einer Entscheidung des Vorstands überarbeitet werden solle, "was die umfassende Analyse und die Erneuerung der mit der Nominierung und Preisvergabe zusammenhängenden Mechanismen einschließt." Details wurden aber noch nicht genannt.
In einem Brief an die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, hat der Veranstalter des Musikpreises die Trophäe für das Rap-Album von Kollegah und Farid Bang nun als "Fehler" bezeichnet. Weiter heißt es: "Wir entschuldigen uns ausdrücklich dafür - bei Ihnen und allen anderen Menschen, deren Gefühle wir verletzt haben. Wir als Vorstand haben das falsch bewertet und wollten uns an der falschen Stelle für die künstlerische Freiheit einsetzen." Das Geschehene sei nicht mehr rückgängig zu machen. "Wir können allerdings vermeiden, dass solche Fehler in Zukunft wieder geschehen."
Sendung: "Leporello" am 17. April 2018, 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK