In Salzburg 1000, in München nur 200 – Bayern ist besonders streng bei der Besucher-Höchstzahl von Kulturveranstaltungen in geschlossenen Sälen. In der Diskussion um angemessene Maßnahmen in der Corona-Krise wenden sich nun zwei Münchner Orchester in einem Offenen Brief an Ministerpräsident Söder, die Münchner Philharmoniker und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Wir dokumentieren den Wortlaut.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Dr. Söder,
Nachdem die Corona-Pandemie und die daraus resultierenden Maßnahmen nun seit vielen Monaten unseren Alltag bestimmen und das kulturelle Leben einschränken, teilweise sogar unmöglich machen, wenden wir uns mit diesem Brief an Sie.
Bayern ist eines der beliebtesten Bundesländer Deutschlands, wirtschaftlich und kulturell immer ein Vorreiter und gerade München erfreut sich eines sehr hohen Zuzugs von außerhalb. Umso überraschender ist es, dass es nach all den Monaten der kulturellen Entbehrungen keine Veränderung bzw. größere Öffnung von Konzert-, oder Opernhäusern gibt. Die Salzburger Festspiele, eines der weltweit wichtigsten Klassikfestivals, fanden mit einer Zuschauerzahl von 1000 statt, ein überragender internationaler Erfolg. Berlin, Hamburg und Köln planen mit etwa 600-1000 Zuschauerinnen und Zuschauern, auch in anderen Bundesländern sind ähnliche Zahlen wieder möglich.
Nun ergab kürzlich eine Empfehlung des Instituts für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie der Charité Berlin unter der Leitung von Prof. Dr. med. Stefan Willich, dass Veranstaltungen mit Publikum unter Wahrung vieler hygienischer Faktoren, wie im öffentlichen Bahn-, Bus-, oder Flugverkehr, wieder zugelassen werden können mit einer obligatorischen Maskenpflicht. Die Öffnung von Kino- oder Theatersälen hat gezeigt, dass dies ebenso unter diesen Umständen möglich ist.
Die Kulturbranche ist ein Zweig des gesellschaftlichen Lebens mit einer höheren Besucherzahl insgesamt als Fußballspiele der Bundesliga und gerade in München ist sie ein eminent wichtiger Bestandteil der Lebensqualität, die unsere Landeshauptstadt so besonders und auch den Wirtschaftsstandort München und somit Bayern in größtem Maße attraktiv macht.
Wir bitten Sie daher im Namen der Musikerinnen und Musiker unserer Orchester, aber auch im Namen unser tausenden Zuschauerinnen und Zuschauer, Zuhörerinnen und Zuhörer, vieler freischaffender Musikerinnen und Musiker, Fans, Freunde und im Sinne der Erhaltung der Attraktivität des Kulturstaates Bayern um eine der Saalgröße angemessene Erhöhung der Zuschauerzahl. Nur auf diese Weise lässt sich der Kollaps der Kulturbranche noch verhindern und Sie ermöglichen, dass auch unsere Nachkommen in den Genuss dieser auf der Welt einzigartigen Kulturlandschaft Bayern kommen können.
Mit herzlichen Grüßen,
die Orchestervorstände für die Musikerinnen und Musiker
der Münchner Philharmoniker und des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks
Sendung: "Allegro" am 28. August 2020 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK