Seit über 80 Jahren exisitiert das Orchestra della Svizzera italiana (OSI) mit Sitz in Lugano. Es ist eines der kulturellen Aushängeschilder des Kantons Tessin. Jetzt bangen die Musiker um ihren Job: Der Schweizerische Rundfunk zieht sich aus der finanziellen Fördeung des Orchesters zurück. In Kürze werden die Orchestermitglieder ihre vorsorgliche Kündigung zum Jahresende 2017 erhalten.
1935 war das Orchester in Lugano als Radiosinfonieorchester gegründet worden - der ursprüngliche Name lautete "Orchestra della Radio della Svizzera italiana". Auch nach der Namensänderung im Jahr 1991 arbeitete das OSI eng mit der Schweizerischen Rundfunk- und Fernsehgesellschaft (SRG) zusammen. In den letzten Jahren jedoch zog dieser sich Schrittweise aus der finanziellen Förderung des Orchesters zurück - bis hin zu dem nun bekannt gegebenen Plan, in Zukunft nur noch einzelne Leistungen des Orchesters einkaufen zu wollen. Auch scheinen die Zeiten vorbei zu sein, in denen das OSI kostenfrei die Räumlichkeiten des Rundfunks nutzen konnte: Ab 2018 steht der Probesaal im Radiostudio Lugano den Musikern nur noch gegen Miete zur Verfügung. Aufgrund der unsicheren Finanzlage wurden die Orchestermitgliedeer zu einer Versammlung am 29. November geladen; anschließend soll ihnen die vorsorgliche Kündigung zugeschickt werden.
Der Rundfunk verteidigte seinen Rückzug aus der Förderung des Orchesters mit der allgemeinen finanziellen Situation. Die Hoffnungen auf eine irgendwie geartete Einigung mit der SRG sind allerdings noch nicht erloschen. Bislang funktionierte die Zusammenarbeit von Orchester und SRG auf Basis einer Konvention, die nach Angaben des Funks zu Ende 2017 fristgerecht gekündigt wurde. In seiner offiziellen Stellungnahme zeigt sich der Rundfunk gesprächsbereit: "In den Augen der SRG scheinen (...) die offenen Punkte überbrückbar", heißt es dort. "Deshalb ist die SRG unverändert bereit, über eine neue Konvention 2018 mit FOSI [dem Orchester] zu verhandeln. Sollten sich FOSI und die SRG nicht auf eine neue Konvention verständigen können, so bleiben die SRG/RSI in jedem Fall ab 2018 an einer Zusammenarbeit mit dem OSI interessiert."
Ich bin überzeugt: Ein Orchester von dieser außerordentlichen Qualität wie das OSI wird sich immer durchsetzen können.
Markus Poschner, der derzeitige Chefdirigent des OSI, sieht die Lage allerdings weniger dramatisch. Von einem Orchestertod könne keine Rede sein, sagte er gegenüber BR-KLASSIK. Er sehe in den derzeitigen Entwicklungen auch eine große Chance für mehr Flexibilität und Effizienz. Es müsse jetzt gelingen, ein stabiles und zukunftsfähiges Konzept für die gesamte Region zu finden, um die vorhandene und traditionsreiche Kulturszene zu befördern und zu ihrer vollen Entfaltung kommen zu lassen. "Dies ist auch ein politischer Prozess, der nun in vollem Gange ist", so Poschner. "Der Zuspruch und die Unterstützung der Schweizer Öffentlichkeit dem OSI gegenüber jedenfalls ist beeindruckend und macht uns sehr stolz."
Das Orchestra della Svizzera italiana hat seit seiner Gründung unter vielen bedeutenden Dirigenten musiziert, darunter Ernest Ansermet, Igor Strawinsky, Sergiu Celibidache und Hermann Scherchen. Zur Riege der ehemaligen Chedirigenten zählen Serge Baudo, Michail Pletnev, Alain Lombard und Vladimir Ashkenazy. Derzeitiger Künstlerischer Leiter ist Markus Poschner. Am 24. November wird das Orchester in Lugano zusammen mit der Geigerin Lisa Batiashvili auftreten, am 1. Dezember steht ein Konzert mit dem Pianisten Evgeny Kissin an. An Tradition und künstlerischem Renommee mangelt es dem Orchester also keineswegs.