Seit 2008 küren die Landesmusikräte jedes Jahr ein Instrument des Jahres. 2020 war die Geige an der Reihe und im Jahr 2021 ist es die Orgel als "Königin der Instrumente". Bereits seit 2017 sind Orgelmusik und Orgelbau durch die UNESCO als Immaterielles Kulturerbe anerkannt. Jetzt also folgt der nächste Schritt, der vor allem Orgelfreunde freuen dürfte.
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Endlich. Die "Königin der Instrumente" kehrt zurück auf ihren Thron. Dorthin, wo sie über Jahrhunderte regierte: als größtes aller Musikinstrumente. Aber auch als sperrigstes, kompliziertestes, behäbigstes. Ein Monster, eine Maschine – eine musikalische Immobilie!
Jetzt soll sie ihre Krone zurückerhalten, so haben es die Landesmusikräte beschlossen. Krone – von lateinisch "Corona". Daher also weht der Orgelwind: Kaum hat die Pandemie die großen Orchester in den Lockdown geschickt, da rückt das Einmann-Orchester Orgel urplötzlich wieder in den Blick. Dieser Zauberkasten für musikalische Multitasker, die sich die Musik buchstäblich "mit Händen und Füßen" zu eigen machen, sie aus "allen Rohren" und mit "vollen Zungen" sprechen lassen und dabei "alle nur erdenklichen Register ziehen" – um nur einige jener Redewendungen zu gebrauchen, die seit langem unseren Wortschatz prägen. "Viel Wind machen", "den Riemen auf die Orgel werfen" ... und dabei die Bälgetreter so richtig ins Schwitzen bringen.
Richtig, die Bälgetreter, lateinisch "Kalkanten": Wenn der alte Bach seinerzeit vollgriffig in die Tasten langte, brauchte es bis zu vier solcher sportlichen Helfer, die mit ihrer Köperkraft den Wind in die Lungen der Orgelmaschine pumpten. Noch ein schöner Nebeneffekt in Corona-Zeiten: wenn schon die Fitness-Studios dicht sind, kann körperliche Ertüchtigung künftig auf dem Orgel-Stepper stattfinden – und dabei auch noch im Dienste der Kultur! Soll einer sagen, Orgelspiel sei nicht systemrelevant. Strom sparen würde diese historische Variante ebenfalls – was wiederum dem Klimaschutz zugute käme. Und überhaupt ist es erstaunlich, wie wohltönend sich eine menschlich beatmete Orgel von derjenigen mit elektrischer Lunge unterscheidet. "Originalklang" lautet das Zauberwort.
Auch dafür steht die Orgel seit Jahrhunderten: historische Wahrhaftigkeit in authentischem Ambiente. Womit schließlich noch einem weiteren Thema ein Schnippchen geschlagen wäre: dem der Kirchenflucht. Endlich würden die vielen Abtrünnigen wieder zurück geholt in die Gotteshäuser, wo sie zwar derzeit - Corona-bedingt – nicht singen, aber dafür umso inbrünstiger den erbaulichen Klängen jenes Instruments lauschen dürften, deren einsame Erzeuger wahre Tausendsassas sind.
Sendung: "Allegro" am 8. Januar 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK