Seitenhiebe auf rechte Politiker, Auftritte der französischen Gelbwesten und eine sehr österreichische Jodel-Einlage: Jacques Offenbachs Operette wird in Bad Ischl zu einer scharf gewürzten Satire auf der Höhe der Zeit - dafür gab es bei der Premiere am 20. Juli 2019 viel Beifall.
Natürlich kommt weder der österreichische Ex-Kanzler Sebastian Kurz in Jacques Offenbachs "Pariser Leben" vor, noch Herbert Kickl, der frühere Innenminister von der FPÖ, der sich mit rechten Sprüchen profilierte und Uniformen liebt. Und auch die französischen Gelbwesten finden sich gewiss nicht im Originaltext von 1866. Oder etwa doch? Na klar, Operette war bei Offenbach immer tagesaktuell, frech, kabarettistisch - und genau so hat sie Regisseur Markus Kupferblum beim Lehár-Festival in Bad Ischl auf die Bühne gebracht. Voller böser Anspielungen, die das überwiegend österreichische Publikum auch sehr gut verstanden hat.
In jeder Hinsicht stimmig, was Markus Kupferblum mit Offenbach anstellt, ohne deshalb plump zu aktualisieren. Kaiser Franz-Joseph I. schaute übrigens auch vorbei - weil er sich im Stück "vertan" hatte, es steht nämlich auch "Im Weißen Rössl" auf dem Spielplan. Der Magdeburger Kostümbildner Toto sparte durchaus nicht an Rüschenröcken, Kunstpelzen und Federboas. Das ergab einen herrlich satirischen Kontrast: Optisch war dieses "Pariser Leben" konventionell, inhaltlich von überraschender Schärfe.
Für die Verhältnisse von Bad Ischl, dieser abgeschiedenen, schwer überzuckerten Operetten-Hochburg, schon recht gewagt, wie Intendant Thomas Enzinger beteuerte. Und er hat ja recht: Sympathieträger gibt es bei Offenbach nicht, hier sind alle verdorben, verlogen, egoistisch und vergnügungssüchtig: "Gerade das 'Pariser Leben' ist ja ein etwas sperriges Stück und für uns vielleicht etwas ungewohnt, wenn man Operette in so einer Form nicht kennt. Aber gerade deswegen ist es mir wichtig, dass wir das auch hier zeigen, das wir ein breites Spektrum haben. Und wenn man darin eintaucht, dann merkt man, wie wunderbar diese Stücke sind."
Der Applaus war nach drei Stunden einhellig, Proteste gab es nicht, und die anwesenden Politiker fühlten sich wohl nicht angesprochen oder überspielten ihr Missfallen. Dennoch bewies dieses "Pariser Leben", wie Operette heute eigentlich immer sein müsste. Voller Improvisationen zum Tagesgeschehen, mit neuen Texten, und vor allem rasant - diese Kunstform verträgt keine Durchhänger. Dialoge wollen daher bestens geprobt sein, Sänger müssen absolut glaubwürdige Schauspieler sein. Das war hier durchweg der Fall. Und die Handlung kennt fast jeder aus eigenem Erleben: Zwei provinzielle Touristen, in diesem Fall aus Schweden, wollen in Paris mal so richtig was erleben und werden von Hauptstädtern an der Nase herum geführt. Selbstredend treten auch österreichische Reisende auf - und so viel sei verraten: Sie lieben kostenloses Essen und jodeln. Da kommt die Selbstironie aus dem ganz großen Pfefferstreuer.
Dirigent Marius Burkert setzte keineswegs auf kunterbunte Cancan-Seligkeit, sondern ätzt wunderbar treffend aus dem Graben - das ist klanglich oft nah an Kurt Weill, am Kabarett, ja sogar an Monty Python. Ein auch musikalisch fesselnder Abend. Unter den Solisten begeisterten Gerd Vogel als liebestoller schwedischer Baron und Tenor Matthias Störmer in der Mehrfachrolle als österreichischer Tourist Peter Stangelmeier, als Fußfetischist und Schuster, sowie als Brasilianer mit dem Spezialgebiet Messerstecherei. Aber auch alle anderen überzeugten, und das Männerballett in Soubretten-Klamotten war in keiner Weise verschroben oder platt, sondern staunenswert plausibel. So ist das Pariser Leben, und das Operetten-Dasein in Bad Ischl dankenswerter Weise auch!
Inszenierung: Markus Kupferblum
Premiere: 20.07.2019
Weitere Vorstellungen: noch bis zum 31.08.2019
Sendung: "Allegro" am 23. Juli 2019 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK