Ein aktuellerer Stoff als Franz Kafkas "Der Prozess", diese Parabel auf die Unmenschlichkeit des totalen Überwachungsstaats, lässt sich kaum vorstellen. Das dachte sich wohl auch Minimal-Pionier und opern-Vielschreiber Philip Glass. Sein "Prozess" aus dem Jahr 2014 hatte am 2. März am Salzburger Landestheater Premiere. Doch dem musikalisch eher schwachen Stück konnte die harmlose Inszenierung von Regisseur und Intendant Carl-Philip von Maldeghem nicht auf die Beine helfen.
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"Hier wird die Lüge zur Weltordnung gemacht!", schreit der Angeklagte Josef K. am Ende in den Saal: Wann wäre dieser Satz jemals zutreffender gewesen als heute, in den Zeiten von frei erfundenen Nachrichten, besser bekannt als Fake News und sogenannten "alternativen Wahrheiten", die vor ein paar Jahren noch als Blödsinn gegolten hätten? Niemand erwartet von diesem Josef K., dass er alles für wahr hält, es reicht den Machthabern, wenn er alles für notwendig hält. Doch daran scheitert er, muss er scheitern, wie jeder normale Mensch, und wird daher hingerichtet, ohne seine Ankläger und seine Richter jemals kennen gelernt zu haben.
Kafkas unvollendeten Roman "Der Process" aus dem Jahr 1914 schrieb die Geschichte zu Ende: Das Manuskript nahm das ganze, grausige 20. Jahrhundert vorweg, mit seinen Diktaturen, seinen Geheimdiensten, der gruseligen Mischung aus Gedankenpolizei und Schauprozessen. Die Welt wurde durch und durch "kafkaesk", nämlich alptraumhaft, unverständlich, irrational und ist es bis heute geblieben. Klar, ein großartiger, zeitloser Opernstoff, kann die Musik all das doch grundsätzlich bestens ausdrücken. Dazu bräuchte es jedoch deutlich mehr Inspiration als sie Philip Glass 2014 hatte, dieser Vielschreiber unter den Komponisten. "Der Prozess", im englischen Original "The Trial", ist seine sage und schreibe 25. Oper, und mit etwas spöttischer Ironie ließe sich behaupten: Es ist gar nicht so einfach zu sagen, wo bei diesem Großmeister der Minimal Music die eine Oper aufhört und die nächste beginnt, so sehr gleichen sie sich musikalisch.
Das lag am Stück, aber auch an der arg harmlosen szenischen Umsetzung. Wer sich Kafka vornimmt, hängt eben die Latte hoch. Regisseur und Intendant Carl-Philip von Maldeghem wollte das düstere Drama wohl etwas "schwarzhumorig", makaber angehen, aber um damit zu überzeugen, hätte er bei einem musikalisch derart schwachen Stück eine deutlich derbere, grellere Farce inszenieren müssen. So blieb der Abend erstaunlich unentschieden: Er war weder beklemmend noch boshaft witzig, trotz eines Malers, der mit Farben um sich warf, einer Anwaltsgehilfin, die ihre Strapse spazieren führte und eines Advokaten, der siech im Rollstuhl dahinvegetierte. Die Mitwirkenden führten das alles mehr mechanisch vor als mit der gebotenen Lust am anarchischen Irrsinn.
Sendung: "Allegro" am 4. März 2019 ab 6:05 auf BR-KLASSIK
Philip Glass:
"Der Prozess" – "The Trial"
Kammeroper in zwei Akten nach Franz Kafka
Österreichische Erstaufführung
Mozarteumorchester Salzburg
Leitung: Robin Davis
Inszenierung: Carl-Philip von Maldeghem
Informationen zu Terminen, Besetzung und Vorverkauf finden Sie auf der Homepage des Theaters.