An der Deutschen Oper Berlin fand am 26. November die Premiere von Giacomo Meyerbeers Oper "Le prophète" statt. Olivier Py inszeniert den Fanatismus-Reißer als Gleichnis über Erotik und Macht. Der Aufstand gipfelt in einer Orgie - aufregend oder fad?
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Wenn erst einmal die letzte aufreizende Unterwäsche-Reklame von den Plakatwänden verschwunden ist, wenn keine Bikini-Schönheit mehr großflächig von einer Hauswand lächeln darf, dann haben die Fanatiker gesiegt, von da an ist es anscheinend nur noch ein kleiner Schritt bis zur Herrschaft des Terrors. So ähnlich stellt es sich wohl der französische Regisseur Olivier Py vor. Außenwerbung ist in seiner umstrittenen Inszenierung von Giacomo Meyerbeers "Propheten" an der Deutschen Oper Berlin jedenfalls ein wichtiges Sinnbild für den Zustand der Gesellschaft: Anfangs räkeln sich auf den Werbeflächen im Bühnenbild freizügige Models, dann werden sie von farbenfrohen Stadtansichten Jerusalems überdeckt, am Ende sind dort Weltraumbilder von fernen Galaxien zu sehen - und ein ausbrechender Vulkan.
Nun geht es in Giacomo Meyerbeers viereinhalbstündiger Grand opéra "Der Prophet" ja tatsächlich um Glaubensterror und Erotik, hier vorgeführt am Beispiel der Wiedertäufer in Münster um 1535. Ein rachsüchtiger Gastwirt schwingt sich zum (falschen) Heilsbringer auf, angestachelt von Opportunisten. Damals herrschten kurzzeitig Kommunismus und Polygamie, die Machthaber konnten also mehrere Frauen heiraten, was die Fantasie mancher Leser bis heute erhitzt und den entsprechenden historischen Büchern immer noch gute Absatzzahlen beschert. Die damalige Rebellion begann und endete wie alle Rebellionen: Erst Begeisterung, dann Engstirnigkeit, Krieg und Diktatur, schließlich der Untergang.
Olivier Py und sein Ausstatter Pierre-André Weitz verlegten das Spektakel in eine triste Plattenbaulandschaft mit Grauschleier, als Gleichnis auf den IS, eigentlich auf alle Gewaltregime, die das Heil versprechen. Ein Engel mit Pappflügeln fliegt durch die Luft, schwarzgekleidete Männer verkünden die Wahrheit, der vermeintliche Prophet macht Blinde sehend und Lahme gehend, die Gläubigen genehmigen sich sexuelle Ausschweifungen. Und doch ermüdet das Ganze über fünf Akte, weil diese Bilder abgenutzt sind, längst zu Tode zitiert von der Opernregie der letzten zwanzig Jahre, nur noch satirisch wirken statt schockierend. Plattenbauten, Soldaten und Erotiktänzer, die sich ungelenk durch die Kulisse bewegen, das machte den ohnehin heute schwer verständlichen Meyerbeer nicht plausibler.
Deutsche Oper Berlin
"Le prophète"
von Giacomo Meyerbeer
Jean de Leyde: Gregory Kunde
Fidès: Clémentine Margaine
Berthe: Elena Tsallagova
Zacharie: Derek Welton
und andere
Inszenierung: Olivier Py
Chor der Deutschen Oper Berlin
Kinderchor der Deutschen Oper Berlin
Orchester der Deutschen Oper Berlin
Musikalische Leitung: Enrique Mazzola
Weitere Infos und Termine: Deutsche Oper Berlin
Sendung: "Allegro" am 27. November 2017 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK