Das Rote Meer spaltet sich, die Israeliten fliehen vor den Ägyptern. Ein Opernstoff wie geschaffen für die Festspiele am Bodensee. Doch Lotte de Beer griff mit ihrer Inszenierung im Festspielhaus gründlich daneben. Peter Jungblut über die Premiere am Donnerstag.
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Das schaffte wohl nur Gioachino Rossini: gut gelaunt durch das Alte Testament zu schunkeln. Er komponierte eine Art Bibel zum Mitwippen. Egal, ob die Heuschrecken über Ägypten herfallen, die Finsternis, Hagel oder Feuerstürme - Rossini klingt immer beschwingt und tanzbar, selbst wenn es um Tod und Vernichtung geht. Mag sein, dass das mit der typisch italienischen Einstellung zur Religion zu tun hat. Dort dürfen Pfarrer ja alles sein, nur nicht langweilig. Rossini wusste vermutlich gar nicht, was das ist: Langeweile. Wie auch immer - zu seinen Zeiten waren die Theater erstmals und neuerdings auch in der Fastenzeit geöffnet. Und da durften nur biblische Stoffe auf die Bühne kommen. Unterhaltsame natürlich, spannende, möglichst mit Liebe, Hass und Verrat.
All das gibt es in "Moses in Ägypten" von 1819. Und am Ende teilt sich auch noch das Rote Meer. Genug Gründe jedenfalls, das selten gespielte Werk endlich mal wieder zu zeigen. Und die Bregenzer Festspiele sind ja spezialisiert auf solche Ausgrabungen und Wiederentdeckungen. In Koproduktion mit der Oper Köln wurden keine Kosten und Mühen gescheut. Und doch hinterließ die Premiere gestern Abend beim wenig begeisterten Publikum einen schalen Eindruck.
Das lag weder an Rossini noch an der holländischen Regisseurin Lotte de Beer oder am Dirigenten Enrique Mazzola. Vielmehr passte hier nichts so recht zusammen. Lotte de Beer nahm Rossini tiefernst, was ihre Inszenierung mal langatmig, mal unfreiwillig komisch machte. Diese Art Oper geht heute wohl nur noch als Groteske: Möglichst grell, möglichst absurd, möglichst ironisch. Es muss ja nicht gleich so witzig sein wie das "Leben des Brian"! Den Unterhaltungsprofi Rossini aber so bedeutungsschwanger und tragisch auf die Bühne zu bringen wie ein Stück von Wagner oder Janáček, das musste schief gehen.
Ausstatter Christof Hetzer hatte drum herum eine wirklich karge Wüstenlandschaft entworfen, sodass nicht ganz klar wurde, warum das Ägypten der Bibel eigentlich so reich und mächtig war - zumal alle Beteiligten wie Eremiten gekleidet waren, sogar der Pharao persönlich. Der in solchen Fällen obligatorische intrigante Eunuch fehlte selbstredend auch nicht. Das sah sehr nach Passionsspiel aus und war meilenweit entfernt von dem, was zu hören war, nämlich Rossinis unbekümmertes Wiegen und Drehen, mal gemütlich, mal flott, mal laut, mal leise - nie so fad und protestantisch wie die Bilder!
Dirigent Enrique Mazzola war anzumerken, dass er als Italiener seinen Rossini bestens verstand. Er wollte Glanz und Glamour, sowie Witz in dessen Partitur zeigen - was unter diesen Umständen nur teilweise gelang. Unter den Sängern blieb der Moses von Goran Jurić viel zu passiv und introvertiert, wogegen Andrew Foster-Williams als Pharao sehr souverän wirkte - wie auch Mandy Fredrich als seine besorgte und von Alpträumen gepeinigte Gattin. Clarissa Costanzo und der südafrikanische Tenor mit dem schönen Namen Sunnyboy Dladla waren als Liebespaar spielfreudig, glaubwürdig und intensiv. Stimmlich waren sie ihren Partien aber nicht ganz gewachsen. Insgesamt zu viel Oratorium und Monumentalfilm, zu wenig Monty Python und Mel Brooks. Was Rossini wollte, ist klar: Erfolg. So gesehen war es ein durchwachsener Abend.
Inszenierung: Lotte de Beer
Musikalische Leitung: Enrique Mazzola
Bühne & Kostüme: Christof Hetzer
Premiere: 20. Juli 2017
Besetzung und weitere Termine
Sendung: Leporello am 21. Juli 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK.