Wenig Licht und viel Gewalt: Der italienische Regisseur und Ausstatter Stefano Poda zeigte Puccinis Opern-Reißer am Münchner Gärtnerplatztheater als fesselnde Sonnenfinsternis mit spektakulären Bildern, in denen brutale Glaubenskämpfer nach Belieben foltern und morden. Premiere war am 14. November.
Warum soll das nicht möglich sein? Wenn unser kleiner Mond ein paar Minuten lang die große Sonne verdüstern kann, dann kann ein einziger Kerl wie dieser Scarpia auch eine ganze Stadt wie Rom verdunkeln. Nicht auf Dauer natürlich, aber an diesem 17. Juni 1800 lagen die berühmten sieben Hügel auf jeden Fall in seinem Kernschatten, da wurde es politisch gesehen zappenduster am Tiber.
Es machte also Sinn, dass der italienische Regisseur Stefano Poda am Münchner Gärtnerplatztheater eine kohlrabenschwarze "Tosca" inszenierte, so düster, als ob das Firmament ausgelöscht und die Welt auf das dämmrige Restlicht einer totalen Sonnenfinsternis zurückgeworfen wurde. Der Mann ist üblicherweise sein eigener Ausstatter, Kostümbildner und Lichtdesigner und hat Puccinis Erfolgsoper so ähnlich schon vor ein paar Jahren in Klagenfurt und Wuppertal herausgebracht, was immerhin dafür spricht, dass er sich mit der "Tosca" über Jahre hinweg intensiv auseinander gesetzt hat. Das ist diesem bildstarken Abend jederzeit anzumerken.
Tatsächlich spielt die Oper in einer einzigen, historisch verbürgten Nacht, nämlich der vom 17. auf den 18. Juni 1800, als das reaktionäre römische Schreckensregime zusammenbrach und die siegreichen Revolutionstruppen von Napoleon im Anmarsch waren. Zu spät allerdings für den Freiheitskämpfer Cesare Angelotti, den mit ihm befreundeten Maler Mario Cavaradossi, die Operndiva Tosca und auch für den Gewaltherrscher Scarpia, die allesamt in den recht kurzen knapp zweieinhalb Stunden der Handlung zu Tode kommen.
Lauter kuttentragende Gestalten wimmeln herum, halb Mönche, halb Soldaten, auf jeden Fall gewaltbereite Glaubenskämpfer, die foltern und morden, wo immer sie hinkommen. Schauspielerisch ist das vom Chor und den Solisten packend dargestellt, der russische Tenor Artem Golubev hatte als Mario Cavaradossi sogar eine fast akrobatische Einlage, so schwungvoll, wie er sich über den Tisch warf. Und auch die Folterszene war ungewohnt realistisch, ohne deshalb peinlich zu werden. Der amerikanische Bariton Noel Bouley war als Baron Scarpia ein herrlich diabolischer Bösewicht, eine imposante Statur, langhaarig und respektheischend wie ein Rocker-Präsident.
Die russische Sopranistin Oksana Sekerina warf sich ebenfalls mit einer Löwenmähne und robustem Ausdruck in ihre Rolle der Tosca, ihr fehlte allerdings alles elfenhafte, zarte, zerbrechliche Charisma, was eine verwöhnte Diva eigentlich auszeichnet. Dass sie Scarpia erst erschießt und dann ersticht, wirkte so gesehen zwar logisch, aber eigentlich machte sie den Eindruck, dass sie Waffen gar nicht nötig gehabt hätte, um ihn in Schach zu halten – so riesenhaft und unverletzlich sah sie in ihrem unvorteilhaft ausladenden Walle-Walle-Kostüm aus.
Informationen zu Terminen, Besetzung und Vorverkauf erhalten Sie auf der Homepage des Gärtnerplatztheaters.
Sendung: "Leporello" am 15.11.2019 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK