Nach drei Monaten Pause setzt die Deutsche Oper Berlin mit Richard Wagners "Das Rheingold" ihre Saison fort. Die Premiere am 12. Juni fand allerdings nicht auf der Opernbühne statt, sondern coronabedingt draußen auf dem Parkdeck.
Richard Wagner empfängt als kleine Statue das Publikum mit Schutzmaske auf dem Dach eines Parkhauses. Die kahlen Wände und die Rückfront der Oper lassen auf den ersten Blick kein so richtig romantisches Feeling für Rheintöchter, Schwarzalben, Riesen, Götter und geraubtes Gold aufkommen. Schwarze Plastikstühle sind für 175 Zuschauer reserviert, die weißen, wie von Christo mit Stoff und Schnüren verpackt, dienen als Abstandshalter. 22 Musiker sitzen auf dem obersten Podest einiger Stufen, 22 statt achtzig. Wagner für Kammerorchester.
Aber als es losgeht in der Dämmerung, als die Rheintöchter in Lurexminis ihr Gold beschwören, da hatten garantiert alle im Publikum die totale Gänsehaut. Endlich wieder Oper. Endlich wieder Livemusik. Ein erstaunlich satter Wagnersound mit fantastisch guten Sängern, denen jede Sekunde anzumerken war, wie glücklich sie sind, endlich vor Opernfans zu singen – und sei es im Parkhaus. Alle Solisten hätten im Haus am gleichen Abend die Rheingoldpremiere auf der großen Bühne singen sollen. Aber diese kleine Fassung von 110 Minuten, entwickelt vor zwanzig Jahren in Birmingham von Jonathan Dove, hat ihren Charme und bekommt mit Solisten wie Thomas Blondelle als Feuergott Loge und vor allem Annika Schlicht als Göttergattin Fricka einen zauberhaften Glanz.
4,2 Millionen Euro Einnahmeverluste hat die Deutsche Oper durch Corona zu verzeichnen, neunzig Prozent der 550 Mitarbeiter sind in Kurzarbeit. Was aus den Gastverträgen der kommenden Saison wird, steht in den Sternen über dem offenen Parkdeck. Bis zum 26. September bietet die Deutsche Oper ein reduziertes Programm nach Corona-Maßstäben an. Hoffen wir, dass die Walküren dann mit Wotan reiten dürfen, in dessen Burg am Ende des Rheingolds die Götter ziehen.
Sendung: "Allegro" am 15. Juni 2020 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK