Für die Produktion von Rossinis "Semiramide" ist der Regisseur David Alden an die Bayerische Staatsoper zurückgekehrt - der Mann, der während der Zeit von Intendant Sir Peter Jonas zahlreiche Barock-Opern für das Münchner Opernhaus gestaltet hatte. Im Fokus seiner neuen Inszenierung steht der Machtkampf zwischen Religion und Politik. Am Sonntag war Premiere.
Your browser doesn’t support HTML5 audio
Vier Stunden dauert Rossinis "Semiramide" ursprünglich. Eine halbe Stunde davon hat das Produktionsteam der Bayerischen Staatsoper gestrichen. Das hat an diesem Abend nicht gereicht. Nicht, dass Rossini beim Komponieren uninspiriert gewesen wäre - im Gegenteil, die Oper quillt über von eingängigen Melodien, farbigen Holzbläsersätzen, mitreißenden Rhythmen.
Aber so agil die Noten flitzen, so träge und grobmotorisch wälzt sich die Handlung voran. Um nicht ungerecht zu sein: Ein paar dramaturgisch wirklich starke Szenen gibt es. Etwa wenn die babylonische Königin Semiramide, die ihren Mann ermordet hat, den finsteren Handlanger Assur im Schlafzimmer trifft. Die beiden waren offensichtlich mal ein Paar. Er will ihr immer noch an die Wäsche. Doch sie, von Gewissensbissen zerfressen, hasst ihn längst aus tiefster Seele. Endlich gibt es mal Psychologie statt Staatsaktion, endlich lebendige Menschen statt Opera-Seria-Schablonen.
Der ermordete Machthaber beherrscht als riesige Statue und auf kitschigen Propaganda-Bildern die Bühne. Verschiebbare Wände formen immer neue Räume. Die Frauen im Volk tragen Schleier, die Baals-Priester Turbane. Und bei Staatsakten verkleidet sich die Machtelite in historischen Kostümen. So gleitet Alden nicht unelegant durch die Zeiten. Dabei sucht er sein Heil in der Ironie – oft witzig und theaterwirksam, leider nicht ohne Mätzchen. Ob mehr Konzentration bei der Personenführung das Stück wirklich spannender machen würde? Schwer zu beurteilen, weil es so selten gespielt wird. Zweifel sind angebracht.
Die Premiere in Bildern.
Trotzdem lohnt sich der Opernbesuch. Und zwar nicht nur für Vokal-Gourmets. Das ist vor allem dem fantastischen Dirigat von Michele Mariotti zu verdanken. Er entlockt der Partitur und dem bestens aufgelegten Bayerischen Staatsorchester immer neue Nuancen, verbindet zupackende Präzision mit schwebender Leichtigkeit, trägt die Sänger auf Händen und ermöglicht ihnen eine betörende Piano-Kultur. Aus der durchgängig guten Besetzung ragt Alex Esposito mit farbenreichem Bariton als Bösewicht Assur heraus – auch schauspielerisch stark in der mit Ordensblingbling übersäten Prachtuniform.
Mit kraftvollem, gut fokussiertem Mezzo meistert Daniela Barcellona als Arsace die virtuosen Koloraturen. Überragend Joyce DiDonato als Semiramide: Weich und schmelzend kann sie klingen, ihre Widersacher wütend an die Wand singen und kaum hörbar im pianissimo leiden. Eine großartige Leistung. Alles in allem: Geklungen hat’s toll, besonders spannend war’s nicht. Nun kennen wir auch diese Oper.
Melodramma tragico in zwei Akten in italienischer Sprache
Weitere Infos und Termine der nächsten Aufführungen finden Sie auf den Seiten der Bayerischen Staatsoper.
Regie: David Alden
Leitung: Michele Mariotti
Besetzung:
Semiramide - Joyce DiDonato
Assur - Alex Esposito
Arsace - Daniela Barcellona
Idreno - Lawrence Brownlee
Oroe - Simone Alberghini
und andere
Chor der Bayerischen Staatsoper Bayerisches Staatsorchester