Eine Opernkritik würde hier nur im Desaster enden, also bietet sich ersatzweise die Rezension eines "Happenings" an: Das war ja bekanntlich die beliebteste Kunstform der Sechzigerjahre, eine Mischung aus Performance, Party und Protest - Abhängen mit cooler Musik, lässigen Klamotten und revolutionären Ansichten. Hat Rufus Wainwright also etwa gar keine Oper geschrieben, sondern eine Art "Ego-Trip"? Es wäre nicht weiter verwunderlich, ist Wainwright doch bekennender Dandy, Schwuler und Diven-Versteher, eine Art Wiedergänger von Oscar Wilde, mit einem Hang zum pompösen Auftritt in Samt und Seide.
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Bei der Uraufführung seiner ersten Oper "Prima Donna" 2009 in Manchester fuhr Wainwright kostümiert als Giuseppe Verdi vor: Das war zweifellos ein starkes Statement, trug aber möglicherweise dazu bei, dass das Werk total verrissen wurde. Die Metropolitan Opera in New York brachte sich flugs in Sicherheit und stoppte die eigentlich geplante Uraufführung mit der fadenscheinigen Begründung, Wainwright habe auf französischem Original-Text bestanden. Jemand, der sich mit Verdi vergleicht, sollte halt mehr als ein autobiografisches Happening zustande bringen. Wainwrights Oper über eine alternde Sopranistin, die sich vor ihrem letzten Auftritt zu Tode ängstigt, ist inhaltlich dünn und kompositorisch fad. Der völlig humorlose, zäh instrumentierte Soundteppich erinnert mal an "Ben Hur", mal an "Les Misérables", pendelt also zwischen Hollywood und Musical, hat mit Oper folglich wenig zu tun.
Dabei ist es gerade seine Liebe zum klassischen Musiktheater, die Wainwright hier ausdrücken wollte, inspiriert natürlich von keiner Geringeren als Maria Callas. Nun sind Geschichten über einsame, alte Großkünstlerinnen seit Billy Wilders "Sunset Boulevard" nicht mehr neu, zumal Wainwright selbst einräumt, bei seinem Erstling recht simpel vorgegangen zu sein. "Parallele Erzählstränge", so der Komponist im Programmheft-Interview, hätten ihn als Anfänger in diesem Metier überfordert. Eine vornehme Umschreibung für die so vorhersehbare wie langweilige Handlung. Trotzdem hätte das alles eine wunderbare, herrliche Reverenz vor dem unbescheidenen Sänger, Lebenskünstler und Opernfanatiker Rufus Wainwright werden können, der gerade seine zweite Oper über den schwulen römischen Kaiser Hadrian angedroht hat. Sie soll im Herbst in Kanada uraufgeführt werden.
Sally du Randt sang und spielte die titelgebende Prima Donna mit Anstand und Würde und war gerade dadurch unfreiwillig komisch, zumal eine bizarre deutsche Übersetzung angefertigt wurde. Der ukrainische Tenor Roman Poboinyi war als neugieriger Journalist, der die Diva herausfordert, stimmlich fürchterlich überfordert. Dirigent Lancelot Fuhry fuhrwerkte bewundernswert souverän durch die Wainwright-Wogen mit schwallenden Streichern, dröhnendem Blech und tranigem Schlagwerk. Ja, so hört sich das eben an, wenn ein amerikanisch-kanadischer Dandy Musik schreibt und seiner Sehnsucht nach der funkelnden Ekstase des 19. Jahrhunderts frönt, nach dem Glanz vergangener Zeiten. Zwei Primadonnen waren in diesem Fall eine zu viel.
Sendung: "Allegro" am 05. Februar 2018 um 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK
"Prima Donna"
Oper von Rufus Wainwright
Libretto: Bernadette Colomine und Rufus Wainwright
Augsburger Philharmoniker
Leitung: Lancelot Fuhry / Ivan Demidov
Inszenierung, Bühne und Videokonzept Hans Peter Cloos
Informationen zu Terminen, Besetzung und Vorverkauf erhalten Sie auf der Homepage des Theaters.