1928 entwarf Leopoldine "Poldi" Wojtek das berühmte Logo der Salzburger Festspiele. Später machte sie in der NS-Zeit Karriere und wohnte in der Villa eines Holocaust-Opfers. Die Salzburger Festspiele lassen in ihrem Jubiläumsjahr das Leben und das künstlerische Werk von Leopoldine Wojtek untersuchen.
Gleich zwei Forschungsprojekte haben die Salzburger Festspiele zu ihrem Logo und seiner Schöpferin Leopoldine Wojtek in Auftrag gegeben. Mit ihrem Entwurf gewann die Malerin und Grafikerin 1928 den "Wettbewerb um ein Symbol für die Salzburger Festspiele". Bis heute ist das von ihr gestaltete Markenzeichen der Festspiele in Gebrauch.
Leopoldine "Poldi" Wojtek steht als Profiteurin des NS-Regimes in der Kritik: Sie war mit dem SS-Offizier Kajetan Mühlmann verheiratet, der bei den Festspielen tätig war und Wojtek auch Aufträge verschafft haben soll. Wojteks Vater war Beamter für konfiszierte Repräsentationsgebäude, 1943 schenkte er seiner Tochter das arisierte Haus der Malerin Helene von Taussig. Diese wurde ein Jahr zuvor nach Polen deportiert und dort ermordet. Wojtek selbst hat in den 1930-er Jahren ein propagandistisches Kinderbuch über Adolf Hitler illustriert und einen Gobelin mit NS-Reichsadler- und Hakenkreuzmotiv samt Hitler-Zitat für das Ärztehaus in Linz entworfen.
Trotz der heiklen Vorgeschichte wollen die Salzburger Festspiele an ihrem Logo festhalten. "Wir glauben, dass es keinen Grund gibt, dieses künstlerisch zeitlos gültige Logo zu ersetzen", sagte die Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler gegenüber der österreichischen Presseagentur APA. "Das Logo wurde 1928 von einer Kommission ausgesucht, in der auch Festspielgründer Max Reinhardt gesessen ist. Zu dieser Zeit konnte niemand ahnen, dass die Gewinnerin des Wettbewerbs später einmal mit den Nazis sympathisieren oder mit Kajetan Mühlmann verheiratet sein sollte." Außerdem war Wojteks Logo während des Dritten Reichs nicht einmal in Benutzung, betonte Rabl-Stadler, denn das Regime wollte kein Logo, das der jüdischstämmige Max Reinhardt ausgewählt hatte. Die Rückkehr des Logos nach dem Krieg 1945 mache es sogar zum Friedenssymbol, argumentiert Rabl-Stadler weiter.
Ihrer Verpflichtung, sich der Geschichte zu stellen und mögliche Schattenseiten zu beleuchten, seien sich die Salzburger Festspiele gleichzeitig sehr bewusst, sagte die Präsidentin. Deshalb soll der Zeithistoriker Oliver Rathkolb nun die persönliche und kulturpolitische Sozialisation von Leopoldine Wojtek vor 1933 und nach 1945 sowie ihre Beziehungen zum Nationalsozialismus näher erforschen. Außerdem soll Designhistorikerin Anita Kern das Logo einordnen. Die Ergebnisse der beiden Studien werden voraussichtlich Ende Oktober vorgestellt.
Der Verpflichtung, die Erinnerungskultur lebendig zu halten, gehen die Salzburger Festspiele in ihrem Jubiläumsjahr auch mit der Übernahme der finanziellen Patenschaft für 28 Stolpersteine nach. Am Montag (17.08.2020) wurden die kleinen Gedenktafeln vor dem Haus für Mozart in der Salzburger Altstadt verlegt.
"Stolpersteine" ist ein Projekt des Kölner Künstlers Gunter Demnig, das in den 1990-er Jahren startete. Inzwischen erinnern über 75.000 Messingtafeln in 26 europäischen Ländern an Verfolgte und Ermordete des Nazi-Regimes. Das Projekt gilt als das weltweit größte dezentrale Mahnmal.
Sendung: "Leporello" am 18. August 2020 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK