2015 gewann mit Seong-Jin Cho erstmals ein Koreaner den Warschauer Chopin-Wettbewerb, einen der weltweit berühmtesten und schwierigsten Klavierwettbewerbe. Seitdem spielt er Konzerte auf der ganzen Welt. Nun ist der Pianist erstmals in München zu erleben - und spielt dort unter anderem die vier Balladen von Chopin.
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BR-KLASSIK: In München werden Sie die vier Balladen von Chopin spielen. Diese haben Sie mal als Ihr absolutes Traum-Repertoire bezeichnet. Wovon lassen diese Stücke Sie träumen, was macht sie so einzigartig?
Seong-Jin Cho: Schon als Kind waren diese Balladen meine Lieblingsstücke von Chopin. Ich habe damals die Aufnahmen mit Krystian Zimerman angehört und wollte sie unbedingt selbst einmal spielen und aufnehmen. Deshalb habe ich mich natürlich sehr darüber gefreut, diese Stücke jetzt selbst aufnehmen zu können. Das ist eine große Ehre für mich.
BR-KLASSIK: Für die Balladen muss man auch technisch traumwandlerisch sicher sein. Chopin kann aber durchaus leicht in die Ecke "Kuschel-Klassik" abrutschen, mit viel Pedal gespielt zum Beispiel. Wie loten sie das Gefühlsspektrum seiner Musik aus?
Seong-Jin Cho: Für mich hat Chopins Musik sehr viele unterschiedliche Facetten. Sie ist zum einen sehr dramatisch, zugleich aber auch sehnsuchtsvoll. An manchen Stellen ist sie zwar sehr weich und zart, aber man sollte nicht nur diese Seite von Chopin zeigen. Da sind auch die anderen Aspekte. Die Ballade Nr. 2 zum Beispiel enthält sehr viel Brutalität. Der Anfang des Stückes ist sehr weich und fein, doch dann wird es auf einmal sehr heftig. Chopins Musik verfügt über eine enorme emotionale Bandbreite, man kann sie nicht einfach nur mit einem Wort beschreiben.
Natürlich braucht man als Musiker sehr viel Mut zum Risiko.
BR-KLASSIK: Musiker werden zu wollen, hat auch immer etwas mit Risikobereitschaft zu tun. Die Konkurrenz ist groß - entsprechend groß muss die Begabung, entsprechend stark müssen die Nerven sein. Hat Sie Ihre Entscheidung für diesen Beruf Mut gekostet oder war dieser Weg, den Sie jetzt eingeschlagen haben, für Sie ganz selbstverständlich?
Seong-Jin Cho: Ja, der Beruf des Musikers ist tatsächlich sehr hart und sehr riskant. Man weiß nie, ob man Karriere machen und Erfolg haben wird. Ich habe mit dem Klavierspielen angefangen, weil es mir wirklich Spaß macht - und weil ich die Musik liebe. Ich konzentriere mich einfach nur auf mein Spiel und versuche, immer besser zu werden. Aber natürlich braucht man als Musiker sehr viel Mut zum Risiko. Das ist essentiell.
BR-KLASSIK: Sie sagen, Sie wollen besser und besser werden. Was bedeutet denn das - besser? Bezieht sich das auf die Technik oder auf ihren eigenen Bezug zur Musik?
Seong-Jin Cho: In meinem Alter, also mit ungefähr 20 Jahren, ist man technisch auf dem Höhepunkt. Ich habe gehört, das die technischen Fertigkeiten mit zunehmendem Alter nachlassen sollen. Das macht mir jedoch nicht so viel aus. Meine größte Sorge ist eher, dass ich musikalisch nicht gut genug spiele. Ich versuche, die tiefere Bedeutung der Musik zu verstehen. Wenn ich sage, ich möchte immer besser spielen, dann geht es für mich um die Musik, nicht um Technik.
BR-KLASSIK: Was genau bedeutet denn diese Tiefe und wie erarbeiten Sie sich diese?
Seong-Jin Cho: Für mich ist der Klang das wichtigste. Bei Beethoven zum Beispiel sollte der Klang etwas Erhabenes haben. Es ist manchmal sehr schwer, den richtigen Klang zu herauszufinden. Man braucht dazu sehr viel Erfahrung und sehr viel Zeit. Man muss viel herumexperimentieren, um zu einem guten, angemessene Klang zu finden.
Die Fragen stellte Sylvia Schreiber für BR-KLASSIK.
4. April 2017, 18.30 Uhr - "Klassik vor Acht"
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