Der Theaterregisseurs Kirill Serebrennikow ist bekannt für seinen gesellschaftskritischen Ansatz und seine frechen Inszenierungen. Gegen ihn und seine Kollegen wurde seit Sommer 2017 ermittelt. Serebrennikow habe Fördergelder in Millionenhöhe eingestrichen, ohne dafür Aufführungen anzubieten, so der Vorwurf. Das brachte den Regisseur 2018 einen eineinhalbjährigen Hausarrest ein. Inzwischen hat ein neuer Prozess mit einer neuen Richterin begonnen.
Russische Staatsanwälte haben im Prozess gegen Kirill Serebrennikow sechs Jahre Gefängnis gefordert. Das Urteil soll am kommenden Freitag gesprochen werden. Die Anschuldigung: Der 50-jährige Film- und Theaterregisseur und einige seiner Kollegen sollen 129 Millionen Rubel veruntreut haben, das entspricht 1,7 Millionen Euro. Der Fall gilt weithin als politisch motiviert.
Zunächst hatten die Ermittler Serebrennikow beschuldigt, Gelder gestohlen zu haben, die für mehrere Produktionen vorgesehen waren. Eine Produktion sei nie aufgeführt worden, so der Vorwurf. Tatsächlich aber wurde sie mit großem Erfolg gezeigt. Serebrennikow hatte die Vorwürfe als absurd zurückgewiesen.
Serebrennikows Festnahme war für viele Russen ein Schock. Der Prozess wird als Strafe für Serebrennikows Haltung gegen das Establishment gewertet. Seine Dramen, Opern und Filme machten sich immer wieder über Lügen von offizieller Seite, Korruption und zunehmenden Konservativismus in der Gesellschaft lustig. Führende Köpfe der russischen Kulturszene haben laufend an Präsident Wladimir Putin und andere Mitglieder der Staatsführung appelliert, die Vorwürfe fallen zu lassen. Viele Künstler aus dem Ausland forderten dies ebenfalls.
Sendung: Leporelleo am 22. Juni 2020