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Zum Tod von Sir Peter Jonas Das Beste des Menschen verkörpern

85 Neuproduktionen, 14 Uraufführungen, 97 Prozent Auslastung: Sir Peter Jonas erreichte in seinen 13 Jahren als Intendant der Bayerischen Staatsoper in München Beachtliches. Am 22. April 2020 verstarb er im Alter von 73 Jahren.

Sir Peter Jonas: Lichtgestalt und Visionär der Opernszene

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Bildquelle: Bayerischer Rundfunk

Viele Dinge haben im Leben von Peter Jonas funktioniert, ein Plan allerdings nicht: Musikbibliothekar zu werden. "Ich wollte unbedingt in die Musikwelt und hatte richtige Ambitionen, Musikbibliothekar zu werden. Aber irgendwie hat das nicht funktioniert", sagte Jonas. "Am Anfang meines Lebens hätte ich nicht gedacht, dass ich Opernintendant werde."

Sondersendungen

Zum Tod von Sir Peter Jonas haben wir folgende Sondersendungen für Sie zum Anhören und Ansehen:
"Meine Musik" mit Sir Peter Jonas (25.04.2020, 11:05 Uhr, BR-KLASSIK Hörfunk)
"Lebenslinie: Ein englischer Ritter im Freistaat – Sir Peter Jonas" (26.04.2020, 9:30 Uhr, BR Fernsehen)

Doch der gebürtige Londoner wurde Intendant, nachdem er Anglistik und Musikwissenschaft studiert hatte: 1976 zunächst beim Chicago Symphony Orchestra, dorthin hatte ihn Georg Solti als Assistent geholt. Es begann eine erfolgreiche Ära: Jonas brachte die Dirigenten-Elite nach Chicago und produzierte mit seinem Orchester über 200 Schallplatteneinspielungen.

Jonas kehrt nach Europa zurück

Noch glücklicher machte ihn 1984 der Ruf zurück nach Europa, zur English National Opera (ENO) in London, denn Oper war für Jonas etwas Besonderes. "Oper ist für mich ein Gesamtkunstwerk", sagte er. "Ich finde fantastisch, dass darin alles ist, was Menschen künstlerisch beschäftigt: Philosophie, Dramaturgie, Schauspiel, Musik. Und dafür braucht es eine Legion von Menschen: Architekten, Designer, Techniker, Musiker, Marketing. Das fasziniert mich."

Jedes Opernhaus ist eine Stadt, eine Gesellschaft für sich selbst.
Peter Jonas

Peter Jonas leitete die English National Opera ein knappes Jahrzehnt und machte das Haus zur innovationsfreudigsten Bühne Londons. Mut zu zeitgenössischem Repertoire prägte seine Intendanz, auch sein Faible für moderne Opernregie. Etwa von David Pountney, der in der Ära Jonas einer der Chef-Regisseure an der ENO war.

Die Ära Jonas an der Bayerischen Staatsoper

Lucia Popp | Bildquelle: BR 1993 wechselte Peter Jonas, der weltoffene Sohn eines Deutschen und einer Mutter mit spanisch-libanesisch-schottischen Wurzeln, von der Themse an die Isar, als Intendant der Bayerischen Staatsoper in München. Kein unbekanntes Terrain: In den Siebzigern war er mit der Sopranistin Lucia Popp liiert, hörte sie im Nationaltheater singen, und Legenden wie Carlos Kleiber dirigieren. Das Gebäude hatte es ihm angetan – er nannte es einen "Glückspilz" – aber auch die kulturpolitischen Bedingungen in Deutschland schätzte er.

Künstlerische Institutionen sind unser Leben, unser Erbe, sie verkörpern das Beste von uns Menschen.
Peter Jonas

"Wir hinterlassen keine Umsatzzahlen, oder wie viele Autos wir gebaut haben. Nur daran, was wir künstlerisch produziert haben, wird man sich in 200 Jahren erinnern", sagte Peter Jonas. Und in München hinterließ er viel: 85 Neuproduktionen gab es in den 13 Jahren, in denen Peter Jonas als engagierter, kämpferischer und mitunter streitbarer Intendant der Bayerischen Staatsoper agierte.

Alte und Neue Musik in München

Bildquelle: Bayerische Staatsoper/Wilfried Hösl Legendär ist seine spektakuläre Barockopern-Serie, die er mit Monteverdi begann und die spätestens mit dem Riesen-Dinosaurier in Händels "Giulio Cesare" Kult-Status erreichte. "Von Händels Vielseitigkeit war ich immer fasziniert. Er war Intendant, Impresario, Regisseur, Bühnenbildner, Geschäftsmann, Gewerkschaftsboss, Arbeitgeber. Er hat alles gemacht", sagte Jonas. En passant lernte das normalerweise Wagner, Mozart und Strauss verbundene Bayerische Staatsorchester dabei mit Originalklänglern wie Ivor Bolton die Grundzüge der Historischen Aufführungspraxis.

Das war nicht der einzige Coup von Jonas: Mit "Oper für alle", kostenloses Open-Air auf dem Max-Josephs-Platz, brachte er tausende Menschen zur Staatsoper. Und auch der Moderne fühlte sich der 1999 von der Queen geadelte Sir Peter Jonas verpflichtet. Er rief die ambitionierte Reihe "Festspiel+" ins Leben und ließ Hans Werner Henze, Hans-Jürgen von Bose, Aribert Reimann und andere für das Nationaltheater komponieren: "Ich bin sehr stolz, dass wir in 13 Jahren 14 Uraufführungen geschafft haben. Nicht alle diese Stücke können ein Erfolg sein, aber wenn eines, zwei oder drei überleben, dann ist das ein sehr guter Durchschnitt."

BR-Intendant Ulrich Wilhelm zum Tod von Sir Peter Jonas

"Die internationale Musikwelt verliert mit Sir Peter Jonas einen ihrer größten Visionäre. Er hat die deutsche Opernlandschaft geprägt wie kaum ein anderer. Im genialen Zusammenspiel mit Zubin Mehta als Generalmusikdirektor hat er die Bayerische Staatsoper für neue Formen und Regiekonzepte geöffnet und dabei immer wieder Mut zu Neuem gezeigt: So hat er das Publikum für die großen Barock-Opern von Georg Friedrich Händel begeistert. Ich habe ihn auch als Persönlichkeit geschätzt, der seine Stimme über die Oper hinaus in die Öffentlichkeit eingebracht hat, insbesondere in kulturpolitische Debatten. Der Bayerische Rundfunk hat ihm viel zu verdanken, ich denke besonders an die gute Zusammenarbeit mit der Staatsoper und seine engagierte Mitarbeit im Rundfunkrat."

Wandern gegen den Krebs

2006 endete Peter Jonas' erfolgreiche Ära in München, 97 Prozent Publikumsauslastung ist eine fast zu schnöde Zahl für diese emotionale und aufregende Zeit. Mit 60 Jahren ging der humorvolle Brite in den Ruhestand. Jonas kämpfte seit Jahrzehnten schwere Kämpfe gegen den Krebs und hatte sich im professionellen Kultur-Betrieb trotzdem nie geschont. Umso mehr wollte er nach über drei Jahrzehnten Intendantentätigkeit sein "drittes Leben" genießen.

Meine Kollegen haben mich immer Hippie-Indendant genannt.
Peter Jonas

Bildquelle: picture-alliance/dpa Wandern, mit zwölf Kilo Gepäck im Rucksack, in Etappen vom Norden Schottlands bis nach Sizilien, das war Sir Peters Jonas' Berufung nach dem aktiven Opernleben. Wobei: Wirklich ausgeklinkt hat er sich nie, aus dem Kulturleben, dem Theater, dem Kino, der Architektur, der Oper. Auch die Geschicke in München hat er mit Gelassenheit und Interesse weiter verfolgt. Und wann immer es galt, und es um die wichtige Sache Musik und Kultur ging, hat er sich zu Wort gemeldet. Denn wie er sagte: "Theater muss provozieren, Gedanken auslösen und ab und zu etwas unbequem sein."

Sendung: "Leporello" am 23. April 2020, ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK