Der armenische Komponist Aram Chatschaturjan hat das dramatische Leben des Sklavenhelden Spartacus vertont. Und mit der Choreographie von Jurij Grigorowitsch wurde das Tanzstück ab dem Jahr 1968 zu einem der erfolgreichsten sowjetischen Ballette. Vom Moskauer Bolschoi Ballett hat das Bayerische Staatsballett genau diese Fassung übernommen und gestern zum ersten Mal in München gezeigt.
Spartacus ist ein thrakischer Sklave im alten Rom, außerdem ein Muskelprotz, und ein Freidenker. Er mutiert, in Ketten gelegt, zum Inbegriff des todesmutigen Freiheitskämpfers.
Ein paar aufgestapelte Riesenquader als Umrandung, im Bühnenhintergrund graue Säulen, auf Leinwand gemalt. Schon ist das Bild vom alten Rom fertig skizziert. Für zusätzliches Flair sorgt die Ausstattung: Helm, Schild, Armspangen, Gladius, Adler als Feldzeichen, Muskelpanzer. Alles Importware aus Moskau. Heraus kommt dann ein Legionär im Stile des Historienklassikers Ben Hur.
Stramm, kampfeslustig und mit stolz geschwellter Brust schleudern die römischen Legionäre im akrobatischen Stechschritt ihre Beine in die Luft und folgen Feldherr Crassus. Straff sind dessen Arme gespannt, jeder seiner kraftvollen Sprünge kommt aus tief gebeugten Knien, ruckartig reisst er den Kopf herum - mit Crassus, grimmig und aggressiv verkörpert von Sergei Polunin, ist nicht gut Kirschen essen. Der macht, was ihm gefällt, der lässt sich nichts vorschreiben - seine Körpersprache sendet über jeden Zweifel erhabene Signale aus.
Ganz anders gestrickt ist Phrygia, die Geliebte von Spartacus. Hingebungsvoll und selbstlos schmiegt sie sich im großen Adagio an Spartacus. Der trägt seine Geliebte nicht nur auf Händen, er stemmt sie sogar auf einer Hand über den Kopf. Wie ein Gecko windet sich Phrygia zurück in Spartacus' Arme. Ein betörend schönes Bild, wenn der dunkelhäutige, muskelbepackte Osiel Guneo die blasse, zarte Ivy Amista umschlingt.
Überhaupt, dieser Spartacus: der Kubaner Guneo glänzt in der Rolle. Hinreißend seine Spagatsprünge, Schwerkraft scheint ihm ein Fremdwort zu sein, schneller als ein Kreisel seine Pirouetten, nobel und unbeugsam seine Körperhaltung. Kühn und provokant erfühlt er jeden Takt der mal brutal-martialischen, mal sinnlich-duftigen Musik von Aram Chatschaturjan.
Wobei ihm die narzisstische, erregte Seite von Spartacus weitaus mehr entgegen kommt, als den inbrünstig Liebenden zu mimen. Dafür zeigt das Bayerische Staatsorchester in genau diesen seelenvollen Passagen seine Stärke: wenn sich über den Streichern ein langsames Saxophonsolo erhebt, das die Tänzerinnen wie berauscht wirken läßt. Wenn der Pegel in wenigen Takten anschwillt, als hätten das Orchester Wagner auf den Pulten liegen und nicht Musik aus Armenien.
"Spartacus": Die Proben in Bildern.
Osiel Gouneo al Spartacus | Bildquelle: © Wilfried Hösl Ob es diese Fassung des Spartacus, die insgesamt etwas Patina angesetzt hat, die mitunter nach sowjetischem Gedankengut riecht, heutzutage wirklich braucht, darüber lässt sich gewiss diskutieren. In jedem Fall zeigt das Bayerische Staatsballett damit ein Stück Tanzgeschichte und setzt gleichzeitig neue Maßstäbe für die Compagnie: Federnder Anmut, Sprungkraft wie ein Flummi, akkurate Fußarbeit und empfindsame Armbewegungen erobern als Markenzeichen mehr und mehr Zelenskys Truppe.
Standing Ovations gab es für das Bayerische Staatsballett und den Choreographen Grigorowitsch. Im beigen Wollpulli und mit etwas zu kurzen Hosen wirkt er eher wie der nette Opa von nebenan, die 90 Jahre merkt man der Choreographenlegende jedenfalls nicht an. Unter tosendem Applaus drückt Grigorowitsch seinem Münchner Spartacus Osiel Guneo einen Kuss auf die Wange.
Mehr Informationen zu den Aufführungen von "Spartacus" finden Sie auf den Seiten des Bayerischen Staatsballetts.
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