Auf der Bühne Sopranistin Anna Prohaska und die Countertenöre Max Emanuel Cencic und Mark Milhofer. Im Graben die Akademie für Alte Musik unter der Leitung des Barock-Experten Diego Fasolis. Monteverdis "L'Incoronazione di Poppea" an der Staatsoper Berlin hat Weltklasse. Und Regisseurin Eva Höckmayr zeigt bei der Premiere am 9. Dezember ein beeindruckendes Gefühl für Zwischenzeilen und Zwischentöne.
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Gott Amor ist überzeugt, dass allein die Liebe den Lauf der Welt bestimmt. Nackt ist er, bewaffnet, ein Kind, außerdem ist die Liebe ist blind … Gutes schafft sie im Fall von Claudio Monteverdis Oper „L’Incoronazione di Poppea“ jedenfalls nicht. Stattdessen a- und demoralisiert sie alle: es ist das Bild einer dekadenten, skrupellosen Gesellschaft um den Kaiser Nero und seine Geliebte Poppea, das Monteverdi hier entwirft und das in Berlin Dirigent Diego Fasolis mit der Akademie für Alte Musik im Graben und Regisseurin Eva-Maria Höckmayr auf der goldfarbenen Bühne lust- und kunstvoll nachzeichnen. Je verwerflicher die Figuren, desto schöner, purer, güldener die Musik.
Spitzfindiger, humorvoller kann man den mächtig Ohnmächtigen, den Countertenor Max Emanuel Cencic mit größter Akkuratesse und Brillanz darbietet, kaum charakterisieren, kaum entlarven und demontieren.
L'Incoronazione di Poppea - die Premiere vom 9. Dezember 2017 in Bildern.
Außerdem besticht die Regie durch parallele Interaktionen derjenigen, die gerade nicht singen. Eva-Maria Höckmayr liest auch die Zwischenzeilen, hört auch die Zwischentöne und nutzt sie zu teils extrem witzigen, teils erhellenden Bühneneinlagen, die das Dickicht der Handlung und das Jeder-hat-fast-was-mit-jedem der Partitur wie nebenbei aufdröseln.
Ganz leger und wunderbar gelungen ist zudem das musikalisch-dramatische Wechselspiel aus Hosenrollen, Rockrollen und Countern: auf Höckmayrs Bühne sind Stimme, Geschlecht und Figur keine unverrückbaren Konstanten. Hier geht vieles, miteinander, gegeneinander, auch Neros Abgang im Liebesduett nicht mit der am Ende neurotisch-kriselnden Poppea, sondern mit dem nächsten, neuen Lover Lucano. In dieser Berliner Poppea-Produktion, in der das angeblich so „unmögliche Kunstwerk Oper“ in all seinen Facetten strahlt, ist selbst die Titelheldin am Ende nicht vor Amor sicher.
Sendung: "Allegro" am 11. Dezember 2017, 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK