Sie gelten als unübertroffen: die Instrumente von Stradivari, Guarneri und Amati. Doch das Holz der alten Geigen verändert sich mit der Zeit - und damit auch ihr Klang. Eine Hamburger Firma hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, die kostbaren Klänge in rund 100.000 Einzeltönen zu konservieren - um sie danach ganz gezielt zu nutzen.
Töne: hohe, tiefe, lange, kurze, laute, leise... Ungewöhnliche Klänge hallen durch das Auditorium des Geigenmuseums von Cremona. Vier alte Streichinstrumente von Stradivari, Guarneri und Amati werden hier immer wieder angespielt, die Klänge aufgenommen. Lauter einzelne Töne. Nach klassischer Musik klingt das allerdings nicht - eher nach Katzenmusik.
Zum Teil über 300 Jahre alt sind die Instrumente der berühmten Cremoneser Geigenbauer. Und die sollen langsam aber sicher ihren Zenit überschreiten. Denn das Holz verändert sich im Laufe der Jahrhunderte - was fatale Folgen haben kann. "Die Instrumente sind nun mal aus Holz und verändern mit der Zeit ihren Klang", erklärt Thomas Koritke von der Hamburger Firma, die das Projekt betreut. Deshalb soll der einzigartige Klang der alten Instrumente nun für die Nachwelt konserviert werden.
Die Instrumente verändern mit der Zeit ihren Klang.
Das Problem: Während der Aufnahmen muss es rund um das Museum in Cremona leise sein – wirklich leise. Denn die 32 Mikrofone, die die Instrumente aufnehmen sollen, sind sehr gut, aber auch sehr empfindlich. "Theoretisch könnte man auch Störgeräusche beseitigen", sagt Thomas Koritke. "Aber das ist dann so, als würde man ein Bild mit Photoshop bearbeiten - und das wollen wir eben nicht."
Auf zwei der drei Straßen rund um das Museum ist ausgerechnet Kopfsteinpflaster verlegt. Wenn ein Auto vorbeifährt, wird es also laut. Deshalb sind die Straßen rundum während der Aufnahmen gesperrt und der Bürgermeister von Cremona hat die Anwohner ausdrücklich gebeten, leise zu sein. Die Menschen in Cremona nehmen es gelassen. Was tut man nicht alles für die Kunst? Die Anwohner tadeln sich sogar gegenseitig, wenn sie zu laut sind, erzählt Thomas Koritke lachend.
Acht Stunden am Tag müssen Koritke und sein Team hochkonzentriert auf jedes Störgeräusch hören - und auch entscheiden, ob der Ausdruck der Musiker stimmt. Die müssen mal laut spielen, mal leise, kurze und lange Noten, spiccato oder pizzicato und auch ungewöhnliche Tonübergänge. Dass Aufnahmen fünf Mal wiederholt werden müssen, ist keine Seltenheit.
Zwei Geigen sind es, deren Klang aufgenommen wird - neben der "Vesuvius"-Stradivari von 1727 die "Prince Doria" von Guarneri del Gesù von 1734. Hinzu kommen die Bratsche von Amati "Stauffer" (1615) und das Stradivari-Cello "Stauffer ex Christiani" aus dem Jahr 1700. Zumindest um die Sicherheit der wertvollen Instrumente braucht man sich während der Aufnahmen aber keine Sorgen zu machen: Ein bewaffneter Wachmann ist stets mit im Saal.
Noch bis zum 9. Februar laufen die Aufnahmen für das Projekt "Banca di Suono". Für Thomas Koritke ist die Arbeit danach aber noch nicht vorbei: Zurück in Hamburg wird seine Firma die Töne auswählen und schneiden und die Tonübergänge zusammenfügen. In rund einem Jahr soll es dann gegen Bezahlung möglich sein, mit einer speziell programmierten Software die rund 100.000 Einzeltöne wieder zusammenzusetzen. Das soll sich dann so anhören, als würde jemand live auf einer Stradivari oder Guarneri spielen. Aber zuvor, direkt nach den Aufnahmen in Cremona, will Thomas Koritke vor allem eines: Ruhe. "Ich werde mich wahrscheinlich für drei oder vier Tage zurückziehen und echte Stille genießen - ohne im Hinterkopf haben zu müssen, ob irgendwo ein Störgeräusch ist", verrät er.
Sendung: Allegro am 30. Januar 2019 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK