Am 14. September gedenkt man jedes Jahr der fortschreitenden Zerstörung der Tropenwälder. Eines der wichtigsten Hölzer für Musiker ist das Fernambukholz, das seit 250 Jahren für Streicherbögen verwendet wird. Es wächst nur in Brasilien - und viel gibt es davon nicht mehr.
"Wir sind damals total davon überrascht worden", erinnert sich der Bogenbaumeister Wolfgang Romberg. "Wir sind ja doch ein sehr kleiner Bereich der holzverarbeitenden Industrie." Und doch erwischte es die Bogenbauer um die Jahrtausendwende eiskalt, als die Nachricht eintraf: kein Fernambukholz mehr aus Brasilien. Das jahrhundertelange Abholzen des Tropenwaldes Mata Atlantica längs der Ostküste des Landes hatte die Baumbestände auf rund sechs Prozent schrumpfen lassen - und damit auch das kostbare Fernambukholz. Dabei sind Bogenbauer in aller Welt genau auf dieses Holz angewiesen.
"Das Fernambukholz ist ein relativ einzigartiges Material", verrät Wolfgang Romberg, der in seiner Grafinger Bogenbauer-Werkstatt glücklicherweise noch einiges von dem wertvollen Rohmaterial lagern hat. "Es besitzt technische Eigenschaften wie kaum ein anderes Holz: eine gewisse Festigkeit, ein spezifisches Gewicht und die besondere Fähigkeit bei der Biegung des Holzes." Diese konkave Biegung der Bogenstange wird per Hand erzeugt - nachdem das Holz über eine Flamme auf rund 120 Grad erwärmt wurde.
Wir haben nichts gefunden, was dem Fernambuk gleich kommt.
Bis zum Jahr 2000 hatte der Ausbau von Weidelandschaft und Zuckerrohrplantagen den Tropenwald in Brasilien soweit zurückgedrängt, dass die Lage ernst wurde. Bogenbauer in aller Welt schlugen Alarm, denn das seltene Fernambukholz kann nur in Brasilien wachsen. Und die Suche nach einer Alternative blieb erfolglos. "Da haben wir nichts gefunden, was dem Fernambuk gleich kommt", sagt Klaus Grünke, selbst Bogenbauer und erster Vorsitzender der IPCI Deutschland. Die IPCI ist eine internationale Initiative zur Erhaltung des Fernambukbaumes. 2001 schloss sich ein großteil der deutschen Bogenbaumeister zum IPCI Deutschland e.V. zusammen. Ihr gemeinsames Ziel: die Neuanpflanzung des Fernambukholzes. In Kooperation mit brasilianischen Organisationen wurden neue Setzlinge gepflanzt - unter anderem in Bahia, im Südosten des Landes, wo auch viel Kakao angepflanzt wird. "Kakao braucht Schattenpflanzen und die Kakaobauern setzen Fernambuk als Schattenspender mit in ihre Plantagen ein", erzählt Klaus Grünke. So profitieren beide Seiten.
2007 setzte die UN-Artenschutzorganisation CITES den Fernambukbaum auf den Artenschutzindex Anhang II. Das bedeutet, dass neu geschlagenes Holz nicht mehr gehandelt werden darf, Musiker aber weiterhin mit Bögen aus Fernambukholz über Ländergrenzen hinweg reisen dürfen. Die Bogenbauer müssen auf Altbestände zurückgreifen. Doch auch die werden irgendwann ausgeschöpft sein. Der Fernambukbaum wächst sehr langsam. Er braucht mindestens 30 bis 40 Jahre.
Aufgrund der schwierigen Situation mit dem Fernambukholz wird sich das Berufsbild des Bogenbauers wohl über kurz oder lang verändern. Schon jetzt spezialisieren sich viele junge Bogenbauer eher auf Restaurierung und Handel mit alten Bögen statt selbst neue anzufertigen. In den letzten Jahren greifen Musiker vermehrt auch auf Streicherbögen aus Carbon zurück, wenngleich die Holzbögen unter den Profis nach wie vor beliebter sind. Bogenbauer Klaus Grünke jedenfalls hält an den Neuanpflanzungs-Projekten der IPCI in Brasilien fest, auch wenn sich der Verein bislang überwiegend über die Bogenbauer selbst und über Spenden finanzieren muss: "Wir sind guter Hoffnung, dass das funktioniert und gute Früchte trägt. Und dann können künftige Generationen von Bogenmachern auch von diesem Fernambukholz profitieren. Sonst würde die Tradition des Berufes in der Form zumindest aussterben."
Sendung: "Das Musik-Feature" am 20. Oktober 2017, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK.