Für das musikalische Schäferspiel "Una Cosa Rara" von 1786 entwarf der 77-jährige Malerfürst Markus Lüpertz Bühnenbild und Kostüme. Mit viel Fantasie und kräftigem Pinselstrich zeigte Lüpertz sein theatralisches Können und begeisterte das Publikum.
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Er kommt zum Schlussapplaus nicht auf die Bühne, sondern erhebt sich oben von seinem Sitzplatz in der ersten Reihe der Mittelloge und wird vom Scheinwerfer angestrahlt: Markus Lüpertz ist auch am Theater Regensburg ganz Künstlerfürst. Er erschien im Gehrock, natürlich mit dem obligatorischen, schwarzen Spazierstock, perfekte Haltung, souveräne Erscheinung. Seine inzwischen 77 Jahre sind ihm nicht anzusehen, seine Miene scheint immer etwas ironisch, aber in diesem Fall passt das ganz gut, schließlich hat er ausgerechnet das Bühnenbild zu einem Schäferspiel gestaltet. Kann es eine altmodischere, fadere Opernform geben?
Schäfer als Sinnbilder für Freiheit, Liebe und Anstand
Szenenbild aus "Una Cosa Rara" in Regensburg | Bildquelle: Martin Sigmund
Ganz im Gegenteil: Das Regensburger Publikum jubelte, die Premiere war ein voller Erfolg! 1786 wurde das Werk des Spaniers Vicente Martin y Soler in Wien uraufgeführt, Adelige träumten sich damals gern in eine ländliche Idylle, die es niemals gab. Schäfer waren Sinnbilder für Freiheit und Liebe, für Natürlichkeit und Anstand, alles Dinge, die damals bei Hofe selten bis nie zu finden waren. Und wenn eine Königin wie in diesem Fall singt: "Warum darf nicht jeder sein Schicksal in die eigenen Hände nehmen?" war das durchaus von gesellschaftskritischer Brisanz, denn damals wurde das Schicksal jedes einzelnen durch seine Geburt festgelegt und die Ehen grundsätzlich aus Kalkül, nicht aus Liebe geschlossen.
Die Fantasie muss motiviert werden
Regisseur Andreas Baesler und sein Team kürzten das Stück drastisch und zeigten es als grellbunte Farce zwischen Kindertheater und Commedia dell´arte, was über knapp zweieinhalb Stunden hervorragend funktionierte - nicht zuletzt durch Bühne und Kostüme von Markus Lüpertz. Der Maler gegenüber dem BR: "Es kommt immer darauf an, was man sich unter einem Bühnenbild vorstellt. Da kommt eben für mich einiges zusammen, dass es Theater ist, dass es flüchtig ist, vergänglich ist, dass also der Abend entscheidet und dass die Fantasie der Leute in irgendeiner Form motiviert werden muss, herausgefordert werden muss, und deshalb muss das Ganze sich auch auf Andeutungen, auf Flüchtigkeiten beschränken. Damit das die Leute in ihrem Kopf finden, über die Musik natürlich - das ist das Wichtigste. Das darf man nicht vergessen."
Wildschwein-Rotte und Schafherde
Szenenbild aus "Una Cosa Rara" in Regensburg | Bildquelle: Martin Sigmund
Lüpertz hatte einen Märchenwald entworfen, in dem auch "Hänsel und Gretel" spielen könnte. Die bunten Früchte täuschen: Dahinter lauern teuflische Dämonen, in den Baumkronen tummeln sich böswillige Adelige, die das einfache Volk mit einem Fernrohr in Augenschein nehmen. Eine Wildschweinrotte huscht vorbei, natürlich eine Schafherde, noch mehr rustikale Bauern, allesamt auf Spanplatten gemalt. Eine heimelige Hütte, eine Hochzeitstafel: Lüpertz tobte sich aus. Auch seine Kostümentwürfe, die er zusammen mit Ruth Groß geschaffen hat, sind mit ganz breitem Pinsel bemalt, betupft, bekleckst, als ob die Figuren einer Kinderzeichnung entsprungen wären. Und ein Maler "ohne Haare" ist auch auf der Bühne am Werk, mit freiem Oberkörper, als farbensprühender Berserker, der ein Porträt seiner Liebsten im Picasso-Stil auf die Leinwand wuchtet. Zumindest bei einer Dame im Publikum fand das Bild keine Gnade: Sie musste so unwillkürlich wie unwirsch seufzen - ein so knappes wie vielsagendes Urteil über die moderne Kunst. Lüpertz wird es verkraften, er ist öffentlichen Ärger um seine Werke, vor allem um seine Groß-Skulpturen, gewohnt.
Ein musikalisches Erlebnis
Szenenbild aus "Una Cosa Rara" in Regensburg | Bildquelle: Martin Sigmund
Blaue und grüne Streifen, graue Flecken, rote Gitter - es macht Spaß, diesen herrlich quirligen und derben Charakteren beim Lieben, Tanzen und Intrigieren zuzusehen. Markus Lüpertz: "Ich höre die Musik und dann fange ich an, eine Welt, die dazu passt, zu bauen. Es ist ja keine Operette, es ist eigentlich noch nicht mal eine komische Oper, es ist eine Oper, und dass vergisst man, weil die Leute immer denken, in der Oper muss immer einer umfallen und sterben. Das stimmt nämlich nicht. Wichtig ist, und das ist das Entscheidende dabei, die Qualität der Musik. Das ist Oper. Optisch ein Erlebnis, aber auch musikalisch: Alle acht Solisten waren ganz in ihrem Element. Sinéad Campbell-Wallace war eine herzergreifend verunsicherte Königin, Seymur Karimov ein verheißungsvoller Schäfer, Anna Pisareva eine kreuzbrave Schäferin und Sara-Maria Saalmann eine kastagnetten-klappernde Bäuerin mit der fragwürdigen Botschaft, dass der "erste Fehltritt immer der schwerste" ist. Lacher garantiert!
Dirigent Christoph Spering war mit Eifer und Feuer bei der Sache, fand eine gute Balance für diesen scheinbaren Schwank, der in Wahrheit ein schwermütiger Abgesang auf eine untergehende Gesellschaft ist. Und Markus Lüpertz? Kann sich vorstellen, häufiger für das Theater zu arbeiten: "Wenn sie mir monatlich ein anständiges Gehalt zahlen, kann ich auch fest hier arbeiten. Aber ich weiß nicht, ob sie sich das leisten können."
"Una Cosa Rara" am Theater Regensburg
Die Oper "Una Cosa Rara" läuft bis zum 1. Juli 2019 am Theater am Bismarckplatz. Informationen zu Terminen finden Sie auf der Homepage des Theaters.