Könnte ja durchaus sein, das Donald Trump demnächst einen toten Hasen auf den Schreibtisch knallt, als Abschiedsgruß an seinen möglichen Nachfolger. Dem Regisseur Christoph Schlingensief brachte so ein Langohr-Kadaver bei den Bayreuther Festspielen ja seinerzeit viele Schlagzeilen, wenn auch nicht den ungeteilten Beifall des Publikums.
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Aber erstens ist der Applaus seiner Gegner Trump schon immer egal gewesen, zweitens versteht er was von Schlagzeilen und drittens ist er mindestens so ein begabter Stücke-Zertrümmerer wie Schlingensief, auch, wenn er an Richard Wagners "Parsifal" vermutlich weniger Interesse hat als an Pennsylvania.
Gemessen am Niveau seiner Twitter-Botschaften wird Trump beim Thema Hase allerdings wohl weniger an Albrecht Dürer und Joseph Beuys denken als an Comic-Helden Roger Rabbitt oder Bugs Bunny, die zwar nicht verwesen, aber immerhin ausbleichen. Beuys jedenfalls hat ja 1965 bei einer berühmten Kunstaktion einem toten Hasen Bilder erklärt, worauf sich Schlingensief seinerzeit bezogen hat. Sein Bayreuther Publikum war zum Zeitpunkt der Premiere zwar noch lebendig, aber ungemein dankbar für den Hinweis, dass nicht mal der Hase was verstanden hat, und der war ja immerhin von Beuys unterrichtet worden.
Nun rätseln viele Zuschauer ja auch, was uns Trump mit seiner Inszenierung eigentlich sagen will, und noch lenkt leider weder ein waidwunder Mümmelmann, noch ein Kaninchen davon ab, allenfalls CNN. Höchste Zeit also für ein paar neue Requisiten. Wenn er die Kosten scheut, könnte Trump auch Frank Castorf anrufen, der garniert ja alle seine Inszenierungen mit Fremdtexten, wahlweise von Heiner Müller oder Antonin Artaud. Die verwesen zwar nicht so gut wie Tierkadaver, haben dafür aber den Vorteil, Stücke nachhaltiger unkenntlich zu machen und Zuschauern das wohlige Gefühl zu geben, dass es auf die Auszählung der letzten Verse sowieso nicht mehr ankommt.
Trump konnte ja in der Wahlnacht nicht verstehen, dass sie morgens um vier noch irgendwelche Wahlzettel finden: Bei Castorf finden sie morgens um vier sogar noch Qualzettel, zumindest die Zuschauer, die bis dahin durchgehalten haben. Wer sich vornimmt, einen Klassiker gegen den Strich zu bürsten, am besten sogar auf Krawall, der darf eben nicht zimperlich sein, und klassisch ist so eine US-Wahlnacht ja auf jeden Fall, sie gehört sogar zum Kanon von demokratisch einschlägig Interessierten.
Gut, Trump hat in der Schule offenbar ungern Briefwahlunterlagen gelesen, aber mit der Inszenierung derselben ist er ja trotzdem berühmt geworden. Da geht es ihm wie all den Opern-Regisseuren, die keine Noten kennen und eine Synkope für einen Kreislaufkollaps halten, weil das die erste Erklärung bei Google ist. Keiner kann Trump jedoch vorwerfen, dass seine Aufführungen langweilig sind. Seine Twitternachrichten sollen nach Auffassung von Experten sogar manchmal ein Versmaß einhalten, sonst wären sie ja nicht vertont worden. Wo der Hase nun genau im Pfeffer liegt, werden wir hoffentlich nach all den Prozessen erfahren, die jetzt angekündigt sind – bis dahin sollte Amerika die Stimmgabel nicht aus der Hand legen.
Sendung: "Allegro" am 6. November 2020 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK