Die Neugier war groß: Zum ersten Mal, seit seine Berufung bekannt gegeben wurde, steht der künftige Generalmusikdirektor am Pult des Bayerischen Staatsorchesters. Vladimir Jurowski gab zwar schon 2015 sein Debut an der Staatsoper. Doch damals wusste noch niemand, dass er mal Musikchef würde. Nun dirigiert er drei Akademiekonzerte mit Bruckners Dritter und Mozarts Sinfonia Concertante, das erste am 12. Januar.
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Endlich mal ein Chef, der Mozart richtig gut macht! Und das ist nun wirklich keine Selbstverständlichkeit. Gerade die teuersten Dirigenten, zumal die der älteren Generation, servieren oft immer noch einen konturlosen, unverbindlich glatten Routine-Mozart. Jurowski dagegen setzt schon den ersten Akkord der "Sinfonia Concertante" ganz bewusst: Ein kleiner Akzent, wie eine deutlich gesprochene Silbe. Und dann atmen die Phrasen, öffnen und schließen sich die Bögen, leuchtet der Klang. Durchsichtig, seidig, klar. Es ist ein Fest der Mittelstimmen. Und das Ohr darf hörend staunen: So reich ist diese Musik! So vielstimmig. So interessant im Detail.
Das wäre doch mal was: Ein Bayerischer Generalmusikdirektor, der Mozarts Opern als Chefsache begreift! Immerhin ist Mozart, dessen "Idomeneo" in München uraufgeführt wurde, ein "Hausgott" der Bayerischen Staatsoper. Jurowskis Vorgänger Zubin Mehta und Kent Nagano konnten mit Mozart nie so recht überzeugen. Selbst Kirill Petrenko tat sich – vergleichsweise – eher schwer mit Mozart. Zwar dirigierte er einen sehr beachtlichen "Titus". Dabei erreichte er aber nicht die überwältigende Stimmigkeit und Präsenz seiner Wagner- und Strauss-Interpretationen. "Figaro" und "Don Giovanni", die vielleicht größten Meisterwerke der Operngeschichte, überließ Petrenko Gastdirigenten. Mit Jurowski könnte die Staatsoper endlich einen Chef bekommen, der Mozarts Musik mit dem gleichen persönlichen Engagement bedenkt wie Wagner und Strauss.
Petrenko hat die historische Aufführungspraxis zwar aufmerksam studiert, aber keine eigene Erfahrung als Dirigent von Alte-Musik-Ensembles. Beim ungefähr gleichaltrigen Jurowski ist das anders: Als "Principal Artist" des Orchestra of the Age of Enlightenment arbeitet er regelmäßig mit alten Instrumenten. Was er dabei gelernt hat, kommt auch seiner Zusammenarbeit mit dem Staatsorchester hörbar zugute. Und weckt erwartungsvolle Vorfreude!
Ebenso überzeugend ist seine Interpretation von Bruckners Dritter. Sehr genau und detailklar ist Jurowskis Zeichensprache. Mit weit ausgreifenden Bewegungen strukturiert er die symphonischen Blöcke von Bruckners großräumiger Architektur. Dabei setzt er wieder auf einen transparenten, frei schwingenden Klang. Kein Drücken und Schluchzen in den Streicherkantilenen, sondern noble Gesanglichkeit. Keine martialischen Machtspiele in den Blechbläserchorälen, stattdessen atmende Kraftentfaltung.
Anders als Petrenko, der Detailarbeit in den Proben mit euphorischer Emotionalität im Konzert kombiniert, ist Jurowski kein Überwältigungs-Künstler. Er wirkt kontrollierter, weniger forciert. Petrenkos Luftsprünge sind seine Sache nicht. Doch mit seinen Mitteln schafft Jurowski durchaus magische Momente. Es ist weiße Magie. Bei aller Aufmerksamkeit auf die Struktur wirkt seine Kommunikation mit den Orchestermusikern immer offen für die Inspiration des Augenblicks. Und die ist ganz offensichtlich wechselseitig: Dirigent und Orchester verstehen sich. Das Publikum spürt das – und lässt sich begeistern.
Sendung: Allegro am 13. Januar 2020 ab 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK