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Stimmvergleich: Wagnersänger einst und heute Früher war alles besser?

Echte Wagnerstimmen sind ausgestorben, schon seit den 80ern? Falsches Vorurteil! Volkmar Fischer, Opernredakteur bei BR-KLASSIK, hält dagegen: Früher war vielleicht mehr Vibrato, aber noch lang nicht alles besser. Wer nach Gefühl statt Lautstärke sucht, hört heute mit mehr Genuss.

Bildquelle: Daniel Koch/Deutsche Grammophon

Früher war alles besser? Von wegen! Da genügt ein Bilck auf die damaligen Sängerrecken: Brüllaffen waren diese Herren Tenöre! So bald und so lang wie möglich stellten sie sich an der Rampe in Pose, holten tief Luft, um dann ihre Töne laut, lauter, am lautesten ins Publikum zu schleudern. Das würde heute kaum noch jemand ertragen! (Früher waren vielleicht auch die Hörgeräte noch nicht so gut.)

Singen statt Schmettern

Mein Geschmack jedenfalls hat sich verändert. Ich will nicht vom meterdicken Strahl, von der Phonstärke gestählter Stimmbänder niedergefönt werden. Pardon – weniger ist mehr! Und nein: Das ist nicht einfach eine Frage des Geschmacks oder gar des Hörvermögens. Schauen wir uns unseren Wagner doch mal an: So viele wichtige Worte des Librettos sollen gar nicht laut, sondern leise und sehr leise gesungen werden. Gerade Wagner wollte doch, dass man seine Texte versteht – und die haben in ihrer sprachlichen Verschrobenheit eine saubere Deklamation auch mehr als nötig. Textverständnis vor muskelprotzigem Gebaren!

Gefühl statt Gewalt

Es gibt ja auch keine Übertitel in Bayreuth. Das Orchester tritt durch den magischen Klangdeckel in den Hintergrund. Und plötzlich wird der Heldentenor spürbar, ich kann mit ihm mitfühlen, verstehe seine Not, seinen Konflikt. Schöner Nebeneffekt: Das individuelle Timbre, der Klang einer Stimme kommt so auch besser raus. Im Brüllen klingen sie ja doch alle zum Verwechseln ähnlich.

Fazit: Lieber aktuell als alt!

Also: Von wegen die Zeit der Wagner-Sänger ist vorbei! Im Gegenteil: Wie erfrischend ist das, was man heute von den Bühnen hört! Ein Piotr Beczała kann als Lohengrin locker mit dem seinerzeit herausragenden Fachkollegen Sandor Kónya mithalten. Und selbst die viel heldischere, schwere Partie des Tristan fällt in der modernen Interpretation eines Stephen Gould nicht ab gegenüber dem einst so fabelhaften Ramón Vinay.

Die besten Sänger von heute im Vergleich zu den besten Sängern von damals? Für mich schneiden sie stimmlich gleich gut ab. Aber darstellerisch oft viel besser!

Sendung: Allegro am 24. Juli 2020 ab 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK