In Österreich wird hitzig diskutiert: Sind Orchestermitglieder wichtiger als Polizistinnen? Der Anlass: Letzte Woche bekamen die Wiener Philharmoniker "Vorfahrt" bei der Impfung. 95 von 148 Musikerinnen und Musikern erhielten die erste Dosis des COVID-Impfpräparats.
In Österreich gilt das gleiche Prinzip wie in vielen anderen europäischen Ländern: Für die Regierung ist eine höchstmögliche Impfrate der Weg zurück in ein Leben ohne Pandemieeinschränkungen. Aber auch in Österreich sind Impfstoffdosen knapp. Deshalb geht es in der Verteilungsdebatte oft um die Frage nach einer gesellschaftlichen Priorisierung. Als nun letzte Woche die Stadt Wien den Wiener Philharmonikern 95 Impfdosen zur Verfügung stellte, gab es einen Aufschrei. Für die IG Freie Theaterarbeit etwa ist die Impfvorreihung der Musikerinnen und Musiker ein "Schlag ins Gesicht'" aller anderen Künstlerinnen und Künstler.
Die Stadt Wien bestätigte, es habe tatsächlich eine Vorreihung gegeben. Der österreichischen Zeitung Standard teilten auch der Vorstand der Philharmoniker Daniel Froschauer und der Geschäftsführer Michael Bladerer in einer gemeinsamen Erklärung mit, dass "ein Teil der Wiener Philharmoniker" geimpft wurde. Die Argumentation: Das Orchester müsse international spielfähig bleiben. Denn bei Auftritten im Ausland sei mit Vertragsstrafen zu rechnen, wenn nicht "beide Teilimpfungen verabreicht worden seien".
Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen Autoren stört sich daran, dass den Philharmonikern dadurch größere Bedeutung zukommt. Denn auch andere Kunstsparten haben mit diesen Regelungen zu kämpfen. Es brauche "die umgehende Einbeziehung" von Kunst, Kultur und Publizistik in den Impfplan, so Ruiss. "Die Gründe, die zurecht von den Philharmonikern in Anspruch genommen werden, gelten auch für alle anderen, nicht nur für einzelne Ereignisse und für eine Einrichtung allein."
Die Wiener Symphoniker hingegen positionieren sich in ihrem Statement auf Facebook inhaltlich anders: Das Orchester lehnt darin eine Bevorzugung in der Impfreihenfolge ab, habe sich auch nie darum bemüht. "Gemeinsam mit allen Bürgerinnen und Bürgern hoffen wir auf eine baldige Verbesserung der Situation, um endlich wieder persönlich für unser Publikum spielen zu können." Im Statement bedanken sich die Wiener Symphoniker dafür, von der Gemeinschaft getragen zu werden. "Wir machen in unserer Kunst keinen Unterschied zwischen den Menschen, sie gilt allen Menschen gleichermaßen."
Gerade haben die Wiener Philharmoniker angekündigt, ihr Sommernachtskonzert würde am 18. Juni stattfinden. Weiterer Bevorzugungen andere Kulturinstitutionen sind vorerst übrigens nicht geplant.
Quellen: STANDARD, Kronenzeitung, Ljubiša Tošić, APA, 16.April 2021