So ist das, wenn eine Opernkritikerin in Vorfreude schwelgt: Ein Regisseur, den sie seit dem Bayreuther "Lohengrin" besonders verehrt, inszeniert mit herrlichen Sängern am bestalimentierten Haus der Hauptstadt, welches ein erfahrener Intendant leitet, ihre Lieblings-Oper. Da haben wir zur Vorbereitung noch ein bisschen Fritz Wunderlich, Edita Gruberova und Kurt Moll gehört und nehmen frohgestimmt hinter der zahlreichen Polit- und Kulturprominenz Platz, um so richtig einzutauchen in Mozarts spätes Meisterwerk: sein rätselhaftes Zauber-Märchen um Entführung und Prüfung, Liebe und Freimauerei.
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Das Erwachen aus diesem Traum beginnt bereits bei der Ouvertüre: Hoppla, das leiert. OK, die mexikanische Dirigentin Alondra de la Parra ist eingesprungen für den kniekranken Franz Welser-Möst, und Einspringer sollten von der Kritik geschont werden, so ein altes Theatergesetz. Aber muss ich jeden verpatzten Einsatz entschuldigen? Arme Staatskapelle, arme Sänger. Aber das kann passieren. Konzentrieren wir uns auf die Inszenierung.
An Marionetten hängen alle Personen und Figuren. Sie stammen aus verschiedenen Kontexten für Kinder und Jugendliche. Aus dem Oscar-prämierten Computeranimationsfilm "Toy Story" von Pixar, aus der Playmobil-Welt, aus Lego, Kasperletheatern und, etwas Futter für die Kunstkenner: aus dem prallen Figurenorbit der Niki de Saint Phalle. Etwas Manga ist auch dabei.
Beispiel: Die drei martialischen Damen der Königin der Nacht hängen über der Bühne in mehreren fetten rosa Pappbrüsten, unten stapfen oder schweben, stolpern oder fliegen in roten Plastikstiefeln – Playmobil lässt grüßen – Prinz Tamino und, mit blonder Perücke, Pamina über das Setting. Es schweben und fliegen alle, außer Sarastro. Die neue Technik der Staatsoper lässt es krachen, da sind sämtliche digitalen Knöpfe gedrückt für hoch- und 'runterschießende Sänger und Raketen, Phalli und Vogelkäfige: ein Riesenspektakel. Deshalb bitte ein extra Bravo für alle Inspizienten, Techniker, Spielleiter und das gesamte Personal hinter der Bühne. Zwischendurch erzählen Kinderstimmen über Lautsprecher, wie es weitergeht.
Allein, die angejahrte Kritikerin mit den vielen älteren und jüngeren "Zauberflöten"-Inszenierungen im Kopf hat nach zehn Minuten endgültig genug von den Bilderfluten aus Comic-, Film- und Spielzeugzitaten; sie beginnt sich richtig doll zu langweilen. Da ist sie nicht die Einzige, Unruhe macht sich breit, bis immer mehr Buh-Rufe mittendrin zeigen: Wir steuern hier auf ein riesiges Debakel zu. Eines, das im schlimmsten Buh-Sturm endet, den dieses Haus seit langem erlebt hat.
Yuval Sharon, der amerikanische Regisseur, kriegt allen Ärger ab. Es ist ja auch ein Unding, die Feuer- und Wasserprobe der Liebenden in eine billige Einbauküche zu verlegen. Was aber am meisten stört: Der Rhythmus zwischen Musik, Dialogen und flachgewitzten Kalauern stimmt nicht. Ja, Mozart war manierentechnisch kein Feingeist, wissen wir, aber mit dem modernen Holzhammer muss das niemand eingebläut bekommen.
Und nun? Vier "Zauberflöten" hat Berlin jetzt, je eine an der Deutschen und der Komischen Oper, zwei an der Staatsoper. Die alte Everding-Inszenierung ist ein Selbstläufer. Die neue von Sharon war zur Premiere eine Katastrophe, muss aber keine bleiben. Die Staatsoper sollte ordentlich feilen am Rhythmus, sie brauchen einen Dirigenten oder eine Dirigentin mit Opernerfahrung, vielleicht kommt dann alles besser 'rüber. Kinder werden die Inszenierung mögen, die olle Kritikerin aber träumt weiter von einer tiefsinnigen "Zauberflöte" ohne Spielzeugkrempel und Comic-Kram.
Wolfgang Amadeus Mozart:
"Die Zauberflöte"
Inszenierung: Yuval Sharon
Staatsopernchor, Staatskapelle Berlin
Leitung: Alondra de la Parra
Berlin, Staatsoper Unter den Linden
Premiere: Sonntag, 17. Februar 2019
Informationen zu Terminen und Vorverkauf erhalten Sie auf der Homepage der Staatsoper.
Sendung: "Leporello" am 18. Februar 2019 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK