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Der Bariton Christian Gerhaher ist der Sänger der Stunde - in der Fischer-Dieskau-Nachfolge hat Gerhaher keineswegs nur beim Lied neue Maßstäbe gesetzt. Nun kommt er zum wiederholten Mal als Gast zum Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und singt die intimen "Rückert-Lieder" von Gustav Mahler. Die Verse des fränkischen Dichters, Orientalisten und Übersetzers Friedrich Rückert zogen Mahler magisch an - von solcher "Lyrik aus erster Hand" ließ er sich gern inspirieren. Tatsächlich strahlen Mahlers "Rückert-Lieder" einen ganz eigenen poetischen Zauber aus, einen ätherischen Duft und eine schmerzliche Verlorenheit, gipfelnd in dem berühmten Lied "Ich bin der Welt abhanden gekommen". Am Pult begleitet wird Gerhaher dabei von dem niederländischen Grandseigneur Bernard Haitink, einer bedeutenden Mahler-Autorität. Hauptwerk des Abends ist die gewaltige 15. Symphonie von Dmitrij Schostakowitsch. In seinem symphonischen Schlusswort von 1971 zitiert der Komponist aus Opern von Rossini und Wagner sowie aus eigenen Werken. Die grotesken Elemente wirken jetzt seltsam surreal, der Tonsatz ist erbarmungslos ausgedörrt, und der Schluss läuft mit einer bizarren Spieldosen-Musik ins Leere. Zum Auftakt dirigiert Haitink eine spätromantische Talentprobe des jungen Anton Webern, das idyllische Tonpoem "Im Sommerwind" von 1904.
(Fridemann Leipold)