Auch im sechsten Jahr ihres Bestehens bei den Bayreuther Festspielen bleibt die Inszenierung des "Fliegenden Holländer" von Jan Philipp Gloger eine maue Veranstaltung. Doch heuer enttäuscht die Produktion auch sängerisch. Maximilian Maier hat die Wiederaufnahme von Wagners romantischer Oper am Montagabend im Bayreuther Festspielhaus miterlebt.
Your browser doesn’t support HTML5 audio
In vielem hat die Aufführung etwas von einer grundsoliden, unaufgeregten und auch unaufregenden Repertoirevorstellung. Das Timing der Chorszenen sitzt, zum Beispiel wenn die Chordamen in der Spinnstube unter Anleitung Marys, gesungen von Christa Mayer, im Akkord ihre Ventilatoren verpacken. Auch die Solistenriege – sehr viele sind zum wiederholten Mal dabei – weiß, was sie zu tun hat. Aber das gewisse Mehr, die überragende Qualität für ein Festspielniveau, mag sich nicht einstellen.
Gloger versucht eine Profilschärfung der Charaktere, die zum Teil auch gelingt. Peter Rose stellt den sich ständig zwanghaft Krawatte und Brille zurechtrückenden, zwischen devotem Schleimen und abgefeimter Berechnung ganz bewusst abwägenden Daland, in jedem Zoll dar. Dafür, dass er nicht zur Karikatur verkommt, sondern doch ein Mensch aus Fleisch und Blut ist, sorgt sein wohldosierter, über alle Register fein geführter Bass.
Rainer Trost als sein schmieriger Steuermann hat einst vor allem als "Mozartsänger" reüssiert. Die Kultiviertheit in der Stimme hat er sich bewahrt. Dazu gesellt sich eine virile Höhe, die dieser Rolle eine Autorität verleiht, die sich gut in die Regie einpasst. Auch Tomislav Muzek überzeugt als Erik, hier im Hausmeister-Kittel. Die innere Zerrissenheit, das ohnmächtige Kämpfen um Sentas Liebe und die Verzweiflung über das langsame, unaufhaltsame Entgleiten dieser macht er nachfühlbar. Seine Szenen sind die einzigen an diesem Abend, die bewegen.
Bemerkenswerterweise gerät Gloger die Hauptfigur des Holländers am schwächsten. Die charakterliche Vielschichtigkeit, hier eiskalter Banker, dort Liebe und Erlösung Suchender, wird nicht gezeigt. Vielleicht liegt das auch am monochromen Singen von Greer Grimsley. Er hat beeindruckende Kraftreserven und bringt hinsichtlich des Stimmumfangs alle Voraussetzungen mit. Doch gleichzeitig singt er mit zu großem Druck, was nicht nur manche Töne verzerrt, sondern ihm auch weder die Möglichkeit zu wirklichem Legato noch zur nötigen Innerlichkeit gibt. Der Holländer ist kein wütender Alberich, sondern auch eine verletzte, hilflose Figur.
Diese Schattierungen in der Partitur zeigt immerhin in Ansätzen Axel Kober und das Festspielorchester. Kober weiß, wie er das besonders in diesem Haus komplizierte Stück dirigieren muss. Agogisch und mit Mut zum Tempo sorgt er für eine angenehme Frische. In der Ouvertüre fehlt in den rasenden Streicherpassagen etwas die Trennschärfe zum dominanten Blech. Fulminant ist der von Eberhard Friedrich betreute Festspielchor: Phonstark, homogen, gestalterisch sehr beweglich. Das Publikum kann Jan Philipp Gloger auch im letzten Jahr dieser Inszenierung nicht überzeugen. Der fast desinteressierte, schwache Applaus, als er vor den Vorhang tritt, verrät es.
Sendung: "Allegro" am 31. Juli 2018 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK