BR-KLASSIK

Inhalt

Misha Alperin, Pianist des Moscow Art Trio, ist tot Kreativer Musikant mit Seele

"Jede meiner Kompositionen ist wie ein Theaterstück oder ein Film. Ich erzähle Geschichten." Das sagte Misha Alperin über seine Musik. Er war Pianist im Moscow Art Trio. Das Ensemble war für innovative Soundlandschaften ebenso bekannt wie für seine eigenwillige Verknüpfung der Genres. Alperin brachte es auf den Punkt: "Was uns vorschwebte, war eine Mischung aus Äpfeln und Birnen: Der Apfel war der Jazz, sein Kerngehäuse die klassische Komposition – und die authentische Folklore bot sich als Birne an." Am 11. Mai ist er nach langer Krankheit in Oslo verstorben, wo er seit 1993 gelebt hatte.

Bildquelle: © Tore Sætre / Wikimedia

Misha Alperin stammte ursprünglich aus der Ukraine und war in einer jüdischen Familie aufgewachsen. Er hatte nicht nur das Jazz-Vokabular verinnerlicht, wenn er am Klavier saß; er war auch klassisch ausgebildet, setzte sich mit zeitgenössischer Musik auseinander und mit diversen Stilen mit Folk-Elementen. Stilistische Vielseitigkeit kennzeichnet auch die beiden anderen Mitglieder des Moscow Art Trio: Arkady Shilkloper war Hornist im berühmten Bolschoi-Orchester und bei den Moskauer Philharmonikern – und spielte im Vienna Art Orchestra Jazz mit. Und wenn der Klarinettist Sergey Starostin singt, dann setzt er gerne auf Oberton-Effekte. Außerdem ist er ein leidenschaftlicher Melodiensammler: An die 3.000 Lieder sind es inzwischen, die er auf zahlreichen Expeditionen in die russische Folklore kennengelernt hat und die er mit einbrachte, wenn er mit dem Moscow Art Trio auftrat.

Formale Grenzen überschreiten

Ein wichtiges Ziel ihrer Stücke sei, meinte Misha Alperin in einem Interview mit BR-KLASSIK, die Grenzen zwischen Komposition und Improvisation unkenntlich zu machen. Das gehöre zur Dramaturgie dieses Trios. Alperin wolle Geschichten erzählen, die solche formalen Grenzen überschreiten, Geschichten, die ein Ganzes und keine getrennten Teile ergeben.

Musik mit großer Sogkraft

Zusammen begaben sich die Musiker des Moscow Art Trio also auf Streifzug durch traditionelle Weisen aus Ost und West, auch klassische Werke flossen mit in ihre Kompositionen ein. Es entstand eine Musik mit großer Sogkraft, ein bisschen melancholisch, ein bisschen kantig. Oft sind ihre Kompositionen spannende Hörgeschichten – eben kleine Theaterstücke wie "Voices of my Home" oder "Instead of Making Children" von 2006.

Starke, einprägsame Melodien

Die Musik dieses ungewöhnlichen Pianisten und Komponisten hatte stets eine fesselnde Poesie und eine archaische melodische Kraft. Das Moscow Art Trio konnte seinen von Folk-Stimmungen und klassischen Elementen geprägten Jazz schon mal furios ausbrechen und in wilden Wirbeln davonstürmen lassen – und dann wieder klang diese Musik ungemein zart und feinfühlig, vor allem aber getragen von starken, einprägsamen Melodien. Avantgardisten und Musikanten gleichermaßen: Das waren die Musiker des Moscow Art Trio, wenn sie zusammen musizierten. Misha Alperin war ihre Seele.

Sendung: "Leporello" am 14. Mai 2018, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK