Am 22. Januar 1720 beginnt Johann Sebastian Bach in Köthen mit einem Klavierbüchlein für seinen ältesten Sohn Wilhelm Friedemann. Der Kleine ist neun und außergewöhnlich begabt. Bach will ihn unbedingt fördern – ohne ihn allerdings mit einer fertigen Kompositionslehre oder methodischen Anleitung zum Klavierspiel zu traktieren. Stattdessen füllt er das Büchlein im Laufe der kommenden Jahre mit Stücken unterschiedlichster Schwierigkeit und Bauart, die den Sohn kontinuierlich bei seinem musikalischen Studium begleiten sollen.
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Handwerkliche Grundlagen soll der Knabe an ihnen lernen, sich im Spiel der verschiedenen Tasteninstrumente üben und erste Kompositionsversuche wagen. Natürlich fehlt auch nicht eine Einführung in die Notenschlüssel, in die wichtigsten Verzierungen mit entsprechender Ausführung sowie die Grundregeln des Fingersatzes. Wilhelm Friedemann saugt alles in Windeseile in sich auf. Seine Fortschritte sind bemerkenswert. Kein Wunder, dass der stolze Vater ihm eine steile Karriere prophezeit: "Das ist der Sohn, den ich liebe, der mir am meisten Freude bereitet."
Das ist der Sohn, den ich liebe, der mir am meisten Freude bereitet.
Wilhelm Friedemann weiß um den kostbaren Schatz, den er von seinem Vater an die Hand bekommen hat und wird ihn in den kommenden Jahren stets mit sich führen. Bis er ihn mit fünfzig Jahren an den Bruder und Schüler Johann Christian Bach weiterreicht. Heute liegt das Manuskript gut verwahrt in der Yale University von New Haven – ein pädagogisches Meisterwerk, "zum Nutzen und Gebrauch der Lehrbegierigen".
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