Unmittelbar vor seinem Haus wird der bayerische Komponist Karl Amadeus Hartmann Augenzeuge eines grauenvollen Ereignisses. Ein Elendsstrom zieht vorüber. Tausende entkräftete und ausgehungerte Häftlinge wurden von schwerbewaffneten SS-Schergen mit Kampfhunden aus dem Konzentrationslager Dachau getrieben. Sie sollten nicht von den bereits einmarschierten US-Truppen befreit werden.
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Seit einem Tag schleppen sie sich durch das bayerische Oberland nach Süden. Vorwiegend in Dunkelheit und mit ungewissem Ziel. Überall ertönen Schüsse und Schreie, es sterben Menschen durch Erschöpfung und Gewalt. Hartmann versucht, das belastende Erlebnis des Todesmarsches mit der Komposition einer Klaviersonate zu bewältigen, der er beklemmende Worte voranstellt:
Unendlich war der Strom, unendlich war das Elend, unendlich war das Leid.
Er komponiert – auch wenn er weiß, dass er ungehört bleibt. Seit der NS-Machtergreifung sind die Werke des Antifaschisten mit einem Aufführungsverbot belegt. Hartmann lebt versteckt in der "inneren Emigration" aber das nimmt er in Kauf, überzeugt davon, dass der Künstler "eine politische Anschauung" haben muss. Diese Anschauung hat er immer wieder kundgetan. Ob er jüdisches Volksliedgut in seiner Musik zitierte oder im Vorwort seines "Miserae" schrieb: "Meinen Freunden, die hundertfach sterben mussten, wir vergessen Euch nicht."
Ein Künstler darf nicht in den grauen Alltag hineinleben, ohne gesprochen zu haben.
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