Berlin, 29. April 1942: Das Lied "Lili Marleen" darf nicht mehr im Radio gespielt werden. Was ist geschehen? War "Lili Marleen" denn nicht das Sehnsuchtslied von Soldaten und Daheimgebliebenen schlechthin? Brachte es nicht allen, die durch den Krieg von ihren Liebsten und der Heimat getrennt waren, süßen Trost?
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Bild: Die Sängerin Lale Andersen. "Lili Marleen" machte sie berühmt.
Seit 1941 strahlte der eroberte Mittelwellensender Radio Belgrad das Lied allabendlich an alle deutschen Fronten aus, und in Spitzenzeiten flatterten wegen "Lili Marleen" 12.000 Fanbriefe herein – täglich, wohlgemerkt. Doch dann fiel die Sängerin des Liedes, Lale Andersen, bei den nationalsozialistischen Machthabern in Ungnade: Der Sicherheitsdienst hatte Briefe abgefangen, sie korrespondierte mit in die Schweiz geflüchteten Juden, darunter ihr Geliebter. Die Briefe seien "politisch unwürdig und pornographischen Inhalts", vermerkt Hans Hinkel, der im Propagandaministerium für Kulturpersonalien zuständig war und damit für die so genannte "Entjudung" des deutschen Kulturlebens.
Am 29. April 1942 beschloss die Redaktionssitzung der Reichsrundfunkgesellschaft, das Lied nicht mehr auszustrahlen. Ab Oktober durfte der Name Lale Andersens "wegen undeutschem Verhalten" nicht mehr in der Presse auftauchen. Sie erhielt zeitweilig Auftrittsverbot, wurde im Dezember sogar verhaftet und kam in Hausarrest. Jener Hans Hinkel zitierte sie in seine Dienststelle und stauchte sie mit Drohungen zusammen.
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Sendung: "Allegro" am 29. April 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK