Wer oft und gern ins Kino geht, dem dürfte der Name Michael Nyman ein Begriff sein. Der 1944 geborene Engländer schrieb die Musik nicht nur zu zahlreichen Filmen Peter Greenaways, sondern auch zu Jane Campions "Das Piano" – ein Score, der ihn weltberühmt machte. Am 23. März feierte der Komponist seinen 75. Geburtstag.
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Michael Nyman studierte Klavier am Londoner Royal College of Music und am King's College. Musikgeschichte war sein zweites Fach, von dem er später besonders profitieren sollte. Da er mit atonaler zeitgenössischer Musik ebenso seine Probleme hatte, wie mit der damals aktuellen seriellen Schule, stellte er schon als 20-Jähriger jegliche kompositorische Tätigkeit ein und arbeitete als Musikwissenschaftler. Dabei setzte er sich auch mit einer neuen Stilrichtung auseinander, die er als einer der ersten mit dem Begriff "Minimalismus" beschrieb.
Inspiriert durch deren Hauptvertreter Steve Reich und Philip Glass fand er zurück zu eigener musikalischer Betätigung, zunächst im Rahmen von Bühnenproduktionen, später dann auch als Filmkomponist. 1976 beauftragte ihn der Komponist Harrison Birtwistle, damals Musikdirektor am National Theatre, mit einer Schauspielmusik zu Carlo Goldonis "Il Campiello". Während dieses Projekts kam es zur Gründung der Campiello Band, deren Besonderheit in der klanglichen Kombination alter und moderner Instrumente wie Schalmei und Saxophon bestand. Diese Band mutierte später, erweitert durch Michael Nyman selbst am Klavier, zur Michael Nyman Band. Zusammen mit dieser Formation – in variablen Besetzungen – entstanden dann zu Beginn der 1980er Jahre die ersten Musiken zu Filmen des britischen Regisseurs Peter Greenaway.
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Bildquelle: Bayerischer Rundfunk
Deren thematisches Material stammt beinahe ausnahmslos – im Unterschied zu Nymans einstigen Vorbildern Reich und Glass – aus dem großen Fundus der Musikgeschichte. So diente etwa Mozarts Sinfonia concertante KV 364 als Vorlage für die Musik von "Drowning by Numbers" ("Verschwörung der Frauen"), Purcells "Fairy Queen" als musikalischer Ausgangspunkt in "Der Kontrakt des Zeichners" und die Musik von Heinrich Ignaz Franz Biber als Inspirationsquelle in "Die Verlobung des Monsieur Hire" (Regie: Patrice Leconte) und Greenaways bizarrer Filmparabel "Ein Z und zwei Nullen".
Nymans (Film)musiken entstehen meist nach demselben de-kompositorischen Prinzip: Aus einer musikalischen Vorlage (Purcell, Mozart, Brahms, bis hin zu Webern) wird ein prägnantes Motiv isoliert und zu Wiederholungsmustern (Loops) neu montiert. Dabei bleibt zwar die tonale Ausgangslage erhalten, aber im Verlauf der repetitiven Wiederholungen verändert sich die ursprüngliche Syntax und die einzelnen Bausteine werden – durchaus mit einem Augenzwinkern – virtuos durcheinandergewirbelt.
Sendung: "Leporello" am 22. März 2019 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK