Am 8. September jährte sich der Todestag von Richard Strauss zum 70. Mal. Ein besonderes Jubiläum, denn 70 Jahre sind eine magische Zahl, was Komponisten angeht: Dann erlischt nämlich das Urheberrecht in Deutschland. Was verändert sich nun konkret bei Strauss-Werken? BR-KLASSIK hat sich bei mehreren Experten umgehört.
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Legendäre Töne von Richard Strauss: Spätestens seit Stanley Kubricks "2001: Odyssee im Weltraum" ist der Anfang von "Also sprach Zarathustra" nicht nur Klassikhörern bestens bekannt. Der Allgemeinheit gehört diese Musik deswegen aber nicht, denn Richard Strauss' Rechte als Komponist gelten noch immer – nur werden sie seit seinem Tod 1949 von seinen Erben wahrgenommen; einen Enkel gibt es noch, dazu mehrere Urenkel. In Deutschland bleibt das 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers so.
Genau genommen: 70 Jahre plus den Rest des laufenden Jahres. Richard Strauss‘ Werke werden also ab dem 1. Januar 2020 gemeinfrei. Dann müssen Orchester und Theater keine Rechte mehr bei Strauss' Erben einholen. Bisher verdienen die an jeder Aufführung mit. Strauss selbst war überaus geschäftstüchtig und um die Rechte und Vergütung der Urheber bemüht: Er hat 1903 die erste deutsche Verwertungsgesellschaft für musikalisches Aufführungsrecht mitgegründet, den Vorläufer der heutigen Gema. Der stellvertretende Justiziar der Gema ist heute Lars Riemer. Er betont, dass neben dem Urheber- auch weitere Rechte beachtet werden müssen: die Leistungsschutzrechte. Aufnahmen bleiben weiterhin geschützt, denn auch Orchester haben Rechte an ihren Aufnahmen. Und Notenverlage?
Bei wissenschaftlichen Ausgaben entsteht ein eigenes Leistungsschutzrecht.
"Es gibt kein spezielles Leistungsschutzrecht für Notenverlage", betont Lars Riemer. "Das heißt, normalerweise erlischt das Recht am Notendruck zeitgleich mit dem Urheberrecht. Aber bei sogenannten wissenschaftlichen Ausgaben im Sinne von Paragraph 70 des Urheberrechtsgesetzes entsteht ein eigenes Leistungsschutzrecht, was bis 25 Jahre nach dem Erstdruck wirkt." Und weil Werkausgaben von Strauss recht komplex sind, kann da meistens von so einer wissenschaftlichen Ausgabe ausgegangen werden. Die sind also weiterhin 25 Jahre nach Erscheinen geschützt.
Der Besitzer eines Manuskriptes hat das bleibende Recht, wer da hineinschauen darf.
Aus altem Material kann man aber nun kostenlos spielen – das Urheberrecht der ersten Strauss-Editionen ist abgelaufen. Oder es macht jemand nun eine freie Edition. Dafür müsste er oder sie an die Original-Manuskripte kommen – die aber weiterhin bei den Strauss-Erben bleiben: "Es gibt ja einen Unterschied zwischen den Rechten der Familie als Urheber und den Rechten der Erben als Besitzer des Nachlasses. Und der Besitzer eines Manuskriptes hat natürlich das bleibende Recht, wer da hineinschauen darf. Und das ist ein Recht, das auch das Auslaufen der Schutzfristen nicht antastet." Dergestalt äußert sich Dominik Sedivý; er ist der Leiter des Richard-Strauss-Institutes, das sich auch um alle Anfragen kümmert, die die Originalmanuskripte betreffen. Er glaubt nicht, dass es jetzt zu einem Run auf Strauss kommen wird. Sedivý vermutet eher, dass sich besonders in Sachen Bearbeitungen von Strauss-Werken etwas verändern wird: "Das Urheberrecht hat ja auch geregelt, dass es eine Einwilligung bedarf, wenn jemand ein Werk bearbeiten möchte. Das sind Fragen der Bearbeitung, die jetzt durch die Schutzfrist nicht mehr zwingend an die Genehmigung durch die Familie gebunden sind." Dass künftig also in jedem Konzert "Zarathustra" laufen wird, ist also eher unwahrscheinlich. Aber vielleicht ist diese Musik öfter mal anders zu hören, wie zum Beispiel in der beliebten Funk-Version von Eumir Deodato ...
Sendung: Allegro am 12. September 2019 ab 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK