Bekanntlich war so manch großer Komponist kein Kostverächter: Gioachino Rossini zum Beispiel war ein leidenschaftlicher Koch, der zu seinen Menüs selbst den passenden Wein aussuchte. Auch Johannes Brahms war angeblich ein großer Weinliebhaber, und sein Zeitgenosse Franz Liszt übertrieb es besonders in seinen letzten Lebensjahren mit dem Alkohol. Richard Strauss dagegen konnte ein ganz besonderes Verhältnis zum Bier vorweisen.
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Joseph Pschorr war ein Mann mit beachtenswerten Unternehmerqualitäten, ein Gründer, Innovator und Selfmademan, wie er unserer heutigen Wirtschaft gut tun würde. Denn seinen Aufstieg vom kleinen Brauknecht zum Münchner Bierkönig verdankte der Stammvater einer Brauereidynastie nicht nur seinen ökonomischen Fähigkeiten, sondern auch einer genialen, das Brauereiwesen revolutionierenden Idee.
Aller Anfang ist eine Hochzeit. 1793 reicht der 23-jährige Joseph Pschorr der Tochter des Brauherren Peter Paul Hacker die Hand fürs Lebens und erwirbt damit das Haus und die Braustätte des Herrn Schwiegerpapa. Ende des 18. Jahrhunderts gibt es in München etwa 50 Brauereien, allesamt bescheidene Familienbetriebe, die vor allem ein Problem plagt. Wie lässt sich der Gerstensaft so lagern, dass er konstant gekühlt lange haltbar bleibt?
Er stamme aus der "Hefe des Volkes", hat Richard Strauss mit dem für ihn so typischen Hintersinn immer wieder gerne über seine Herkunft gesagt. Hopfen und Malz, Gott erhalt's. Für seine Biographen ist Strauss der Inbegriff des bildungsbürgerlichen Komponisten. Nur, was haben "Elektra" und "Salome" mit Bierdunst und Maßkrug zu tun?
Vielleicht sollten wir die Frage anders stellen: Was hat Strauss von seinen Vorfahren mütterlicherseits geerbt? Die Antworten sind verblüffend: Zunächst viel Geschäftssinn, denn kaum ein anderer Komponist betrieb sein Metier so pragmatisch wie er. Dann: Musikalität und künstlerisches Talent. Ja, wirklich! Zwar steht da zunächst Strauss' Vater Franz im Vordergrund - er ist Solohornist des Münchner Hoforchesters und Professor an der Königlichen Akademie der Tonkunst -, aber auch im Familienleben der Pschorrs spielt Musik und Kunst eine bedeutende Rolle. Nichts verdeutlicht das besser, als der weitverzweigte mütterliche Stammbaum. In ihm entdecken wir zum Beispiel den Dichter Ludwig Ganghofer, den Maler Karl Spitzweg, dessen Neffe Richard Strauss' erster Verleger wird, oder die Architekten Gabriel und Emmanuel von Seidl.
Nein, denn eines hat Richard Strauss von seinen Bier-Ahnen nicht mitbekommen: ein dickes Geldpolster. Der Zapfhahn hat die Pschorrs reich gemacht, sie leben in großbürgerlichen Verhältnissen, eine beneidenswerte Villa in bester Münchner Lage, ein repräsentatives Anwesen am Starnberger See. Die Straussens müssen sich dagegen mit weniger begnügen, vom bescheidenen Salär eines Hofmusikers lassen sich Mitte des 19. Jahrhunderts keine großen Sprünge machen.
...den lieben Verwandten, der Familie Pschorr in München
Doch Blut ist dicker als Wasser. Deshalb lassen die Pschorrs ihre "armen Verwandten" nicht hängen. Vor allem Patenonkel Georg erweist sich immer wieder als großzügiger Mäzen. Als sein Neffe Richard 1892 an einer lebensbedrohlichen Lungenkrankheit leidet, ermöglicht er ihm mit einer rettenden Finanzspritze einen mehrmonatigen Aufenthalt in mediterranem Heilklima. Richard Strauss wusste diese Unterstützung zu schätzen. So ist in der Partitur des "Rosenkavaliers" folgende Widmung zu lesen: "...den lieben Verwandten, der Familie Pschorr in München".
Thema aus der Sendung "Piazza" am 13. Mai 2017, 8.05 Uhr auf BR-KLASSIK