Wenn 110 Musiker und 13 SängerInnen eine Reise in die Vereinigten Arabischen Emirate unternehmen, um dort Wagners "Walküre" aufzuführen, so ist das per se ein Riesenakt. Wenn dann allerdings der Dirigent ausfällt, muss schnell gehandelt werden. Katharina Wagner, die mit den Bayreuther Festspielen zurzeit in Abu Dhabi gastiert, stand genau deshalb ziemlich unter Strom. Fand aber in Markus Poschner spontan einen idealen Ersatz.
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Eine schwarz gekleidete junge Frau läutet eine kleine Glocke und drängt sich durch die Menschenmenge im Foyer. Immer wieder sinkt sie mit ihren Pumps in den butterweichen Teppich. Trotzdem treibt sie das Publikum, das sich eigentlich auch mit Tee aus goldenen Tässchen wohl fühlt, unerbittlich in den Konzertsaal: Damen in schwarzer Abaya neben Damen im kleinen Schwarzen, Herren im eleganten Anzug und in traditioneller Kleidung. Gemächlich nehmen alle auf den korallenfarbigen Samtsesseln Platz.
Zum Team der "Walküre im Orient" gehört auch die Sopranistin Catherine Foster. Sechs Jahre lang hat sie jeden Sommer die Brünnhilde im Bayreuther "Ring" gesungen; eine knappe Woche Vorbereitungszeit für die Abu-Dhabi Premiere muss also ausreichen. Die größte Herausforderung stellt die Akustik im Konzertsaal dar: Teppiche, Stofftapeten, Stühle schlucken vor allem die Obertöne. Catherine Foster gibt eine hinreißende Brünnhilde, mal aufmüpfig grell, dann wieder sanftmütig im feinsten piano. In Zaki Nusseibeh hat sie einen begeisterten Fan. Er sitzt in der ersten Reihe und hängt an jedem deutschen Wort, das über ihre Lippen kommt. Er liebt die deutsche Sprache, war Übersetzer für den Landesvater Scheich Zayid. Libretto oder Übertitel braucht er also nicht: "Ich kann das Stück auswendig, habe es auch mehrmals in Bayreuth gesehen", berichtet er.
Damit ist Nusseibeh sicherlich eine Ausnahme im Publikum, das zu 80 Prozent aus westlichen Expats und zu 20 Prozent aus Einheimischen besteht. Zwar kann man sich bei Bedarf das Libretto mit dem Handy downloaden – der Link steht im Programmheft – aber davon macht kaum jemand Gebrauch. Damit hatte man wohl auch gerechnet. Auf einer Leinwand hinter dem Orchester läuft ein Film, der die Handlung in 400 Clips erklären soll. Die Raffinessen des Textes bleiben dabei logischerweise auf der Strecke, dafür kommt ein wenig "Herr der Ringe"-Ästhetik mit vielen Einstellungen in Zeitlupe ins Spiel.
Man hat natürlich alle Augen auf sich ruhen, aber das liebe ich!
Bis es soweit ist, hat das Publikum ja noch ein paar Jahre Zeit, um sein Sitzfleisch zu trainieren. Während im ersten Akt der "Walküre" die Reihen größtenteils noch gut gefüllt waren, haben im zweiten Teil nicht wenige Besucher das arabische Buffet im Vorraum dem Liebesdrama im Konzertsaal vorgezogen. Den Wagner-Marathon durchgehalten hat nicht einmal die Hälfte. Aber es werden bereits jetzt viel Geld und Mühen in das Publikum der Zukunft investiert. Dafür sorgt der Regierungsminister persönlich – und der künstlerische Leiter der Reihe "Abu Dhabi Classics", Ronald Perlwitz. Schulklassen besuchen die öffentliche Probe, das war auch in der "Walküre" so. Zudem werden Meisterkurse für Jugendliche angeboten und Klassik wird im Lehrplan verordnet: "Momentan lehren mehrere Hundert Schulen Richard Wagner!"
Sendung: "Allegro" am 31. Januar 2019 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK