Berlin, 19. Februar 1931. Die Leinwand schwarz, zwei Gongschläge, dann erklingt die eindringliche Stimme des Schauspielers Fritz Rasp. Er singt die ersten Zeilen der düsteren Ballade "Wovon lebt der Mensch?" und der Filmtitel erscheint: "Die Dreigroschenoper".
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"Eine Verschandelung", "ein trauriges Machwerk": Mit dem, was das Premierenpublikum an diesem Abend im Berliner Großkino "Atrium" zu sehen bekommt, will Bertolt Brecht nichts zu tun haben. Der Dichter wollte Sozialkritik, die Produzenten des Films einen Kassenschlager. Regisseur Georg Wilhelm Pabst hat eine romantisch-abenteuerliche Gangstergeschichte abgeliefert. Die Zeitung der Kommunistischen Partei schreibt, die: "verpabstete Dreigroschenoper" sei "nur Wassersuppe."
Brecht zieht vor Gericht
Bertolt Brecht | Bildquelle: picture-alliance/dpa
Zoff gab es zuvor schon um die Theater-Original-Version der Dreigroschenoper. Brecht hatte einfach Verse des französischen Dichters Francois Villon benutzt, und zwar in einer Übersetzung, für die er sich keineswegs um die erforderlichen Rechte gekümmert hatte. Brecht attestiert sich selbst schnodderig "Laxheit in Fragen geistigen Eigentums" und macht sich über die Vorwürfe lustig. Jetzt, da er zwar für den "Dreigroschenoper"-Film kassiert, aber nicht mitreden darf, zieht er selbst vor Gericht. Auch Komponist Kurt Weill sieht seine Musik gefährdet, da man die musikalische Leitung dem Operetten- und Filmkomponisten Theo Mackeben übertragen hatte. Weill wird ein Entscheidungsrecht zur Verwendung seiner Musik zugebilligt – ein wegweisendes Urteil in Sachen Urheberrecht. Der Komponist freut sich, "dass ein Musiker die Möglichkeit einer unabhängigen und unbeeinflussbaren Filmarbeit erhält. Tatsächlich ist ein Vertrag geschlossen worden, nachdem mir die Tobis [Film-Produktionsfirma, Anm. der Red.] für meine künftige Filmarbeit weitestgehende künstlerische Zugeständnisse macht, wie sie noch niemals ein Autor erreicht hat."
Zweifelhafter Nachruhm
Brechts Klage allerdings wird abgewiesen. Der "Dreigroschenoper"-Film feiert wie geplant am 19. Februar 1931 seine Premiere. Der Kritiker der Zeitschrift "Der Kinematograph" sieht: "Etwas was man einschränkungslos als Spitzenleistung bezeichnen muß." In die Geschichte geht der Film allerdings nicht als das erstaunlich fortschrittliche Filmkunstwerk ein, das er ist. Zweifelhaften Nachruhm erlangt er aufgrund eines der ersten großen Urheberrechtsprozesse, den Brecht in seinem "Dreigroschenprozess" ausführlich kommentiert.
1933 verboten
Kurt Weill | Bildquelle: picture alliance/Mary Evans Picture Library
In Deutschland, das sich bald in ein "Drittes Reich" verwandeln wird, ist das Leinwandleben des Films von kurzer Dauer. Die Nazionalsozialisten verbieten den Film, sobald sie 1933 an die Macht kommen. Im Verbotstext heißt es unter anderem: "In einer Zeit, in der die Nationale Regierung bemüht ist, das Uebel der Unterweltorganisationen mit Stumpf und Stiel auszurotten, ist ein Bildstreifen, der eine so gefährliche Glorifizierung des Verbrechertums enthält, wie dieser, geeignet, dieser Absicht des neuen Staates entgegenzuwirken und damit lebenswichtige Interessen des Staates zu gefährden!"
Weiterführender Link
Der "Dreigroschenoper"-Film unter filmportal.de – eine Fundgrube für historische Dokumente zum Film
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