Mal so richtig nach Herzenslust falsch singen, das durfte Joyce DiDonato in der neuen Doku "Die Florence Foster Jenkins Story". In einem von zwei neuen Filmen über die unmusikalische Möchtegern-Diva spielt DiDonato die Hauptrolle. Mit BR-KLASSIK spricht sie über schiefe Töne und verrät, was sie an dieser Rolle so reizt.
BR-KLASSIK: Joyce DiDonato, Sie sind Opernsängerin, sind es gewöhnt, auf den Bühnen zu agieren, zu spielen, Personen darzustellen und gleichzeitig natürlich zu singen. Jetzt ein kleiner Fachwechsel hinein in die Schauspielerei. Wie haben Sie reagiert, als Ralf Pleger erstmals auf Sie zukam, und Sie bat, die Darstellerin von Florence Foster Jenkins zu sein?
Ich dachte, das ist das Ende meiner Karriere.
Joyce DiDonato: Ich habe gedacht, er ist wahnsinnig! Und fragte ihn: "Bist Du irr?" Und dann ging mir durch den Kopf: Das ist das Ende meiner Karriere... (lacht) Aber dann sagte er mir, er wolle sich in Florence Foster Jenkins versetzen, um den Versuch zu wagen, wie sie sich selbst gehört haben mag, wie sie gesehen werden wollte. Und DAS hat mich total interessiert. Ich hätte keine Lust gehabt, eine Karikatur dieser extravaganten Frau nur zu spielen, um den Menschen einen weiteren Grund zu geben, über sie und ihren wilden, furchtbaren Gesang zu lachen. Pleger geht den Weg, der Selbsttäuschung auf die Spur zu kommen, der wir alle ein wenig erliegen. Wir sehen uns alle auf die eine Weise, aber die Leute sehen uns auf eine sehr unterschiedliche Weise. Das fand ich wirklich faszinierend und deshalb sagte ich: "Wenn Du meinst, dass ich das kann, lass es uns machen!"
BR-KLASSIK: Wie sind Sie an die Person der Florence Foster Jenkins herangegangen? Wie haben sie sich ihr genähert?
Die Perfektion auszublenden, brachte mir viel Freiheit.
BR-KLASSIK: Wo war bei Ihnen die Schmerzgrenze erreicht?
Joyce DiDonato: Das war überraschend für mich, es war genau das Gegenteil. Die Erwartung an einen Opernsänger ist, Perfektion zu liefern. Mein Leben ist der Perfektion gewidmet. Ich erreiche sie nie, aber mein Job ist es, daran zu arbeiten. So war es am Anfang ein bisschen unkoordiniert, ihre Stimme zu finden. Ich wollte sie nicht imitieren, aber wir wollten den Menschen eine Idee von der Klangvorstellung geben, die sie selbst von sich hatte. Und ziemlich schnell fand ich das sehr befreiend. Die Perfektion, die du sonst brauchst, auszublenden, brachte mir viel mehr Freiheit. Und ich stelle mir vor, dass sie von ihrem Klang total berauscht war. Sie dachte schließlich, sie arbeite hart. Und sie wusste, sie war klasse und so "voilá!, ha ha ha ha, hier bin ich. Ist das nicht schön? Ich habe eine gute Zeit hier, wie Sie doch auch!" - Ich denke, dass sie einfach überzeugt war, sie sei großartig und drehte auf. Und das hören Sie auch ein bisschen in ihrem Gesang. Sie war so glücklich.
Bilder zum neuen Film "Die Florence Foster Jenkins Story" finden Sie hier.
BR-KLASSIK: Sie hatte großen Erfolg - zweifelsohne. Und alles, was sie tat, tat sie mit großer Ernsthaftigkeit. Sie war eine unabhängige Frau und sie hat alles erreicht, was sie erreichen wollte - in ihrer Unbekümmertheit ihren Traum zu leben. Glauben Sie, dass eine solche Karriere, wie die von Florence Foster Jenkins, die ein bisschen auch ein "american dream" ist, heute noch möglich wäre?
BR-KLASSIK: Am 15. Dezember werden Sie selber in der Carnegie Hall in New York singen und Ihr neues Album vorstellen: "In War and Peace", eine CD mit barocken Arien. Nachdem sie sich jetzt mit der Person Florence Foster Jenkins so intensiv beschäftigt haben: Gehen Sie nun mit einer anderen Haltung auf die Bühne der Carnegie Hall?
Joyce DiDonato: Oh, das ist interessant. Da hab ich noch gar nicht darüber nachgedacht. Wissen Sie, die Carnegie Hall ist eine dieser legendären Stätten, wo Sie den Geist all derer spüren, die vor Ihnen da waren - von Leontyne Price, Jessye Norman, von Pianisten wie Horowitz, eine Legende nach der anderen. Und die sind auf irgendeine Weise alle auf dieser Bühne versammelt. Über Florence habe ich da nie nachgedacht, obwohl ich wusste, dass sie dort gesungen hat. Aber nun habe ich das letzte Jahr mit ihr verbracht und wenn ich jetzt auf diese Bühne zurückkehre, muss ich an sie denken! Und vielleicht nehme ich sogar ein bisschen was von ihr mit auf die Bühne und vielleicht kann sie diesmal - ich hoffe natürlich, dass alles gut läuft - ein bisschen was von dem aufrichtigen Applaus erhalten und nicht nur Gelächter…
Das Gespräch führte Ursula Adamski-Störmer für BR-KLASSIK.
Dokumentation
Regie: Ralf Pleger
Dauer: 93 Minuten
Kinostart: 10. November 2016