Auch wenn seine Nachfolger feststehen, noch ist Nikolaus Bachler für die Programmgestaltung an der Bayerischen Staatsoper zuständig. Das Motto 2018/2019 "ALLES WAS RECHT IST" hat für ihn eine traurige Aktualität.
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BR-KLASSIK: „ALLES WAS RECHT IST“ steht über der nächsten Spielzeit. Was ist Ihnen denn alles recht?
Nikolaus Bachler: Ich glaube, dass für die nächste Spielzeit zwei Aspekte wichtig sind. Das eine ist eine Form von Grenzüberschreitung oder Enttabuisierung, mitunter auch Empörung. Das andere ist letztlich das zentrale Thema der Menschheit, nämlich Recht und Unrecht, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, oben und unten, also alles, womit wir uns eigentlich täglich beschäftigen. Für uns ist das nie ein Motto sondern immer ein Arbeitsauftrag, den wir uns da geben: bestimmte Werke auszuwählen und bestimmte Werke daraufhin zu untersuchen. Denn ich bin ja immer noch der Meinung, dass die Gesamtheit mehr ist als das Einzelne. Ein gesamter Spielplan muss den Menschen und dem Publikum mehr erzählen als die einzelne Vorstellung.
BR-KLASSIK: Die Hausgötter Anja Harteros und Jonas Kaufmann eröffnen die Spielzeit mit Otello. Hat Jonas Kaufmann sich in London gut warm gesungen dafür?
Nikolaus Bachler: Das glaube ich schon. Wir sind jetzt im zehnten Jahr mit Jonas Kaufmann, er ist so lange hier wie ich. Den Otello, der jetzt ganz richtig ist in seinem Repertoire und seiner Entwicklung, auch hier zu singen, das ist ein sehr schöner Punkt. Natürlich nicht zu vergessen unser Generalmusikdirektor Kirill Petrenko, der ja mehr an deutschem Repertoire arbeitet und hier zum ersten Mal in München mit Verdi umgehen wird. Das ist als Start in diese Gedankenwelt eine schöne Konstellation.
BR-KLASSIK: Wenn man die ganze Saison so anschaut, entdeckt man sehr gut Ihre Handschrift und auch die Handschrift von Petrenko, also das, was sie in den letzten Spielzeiten sehr erfolgreich gemacht haben. Planen Sie mittlerweile nach dem Motto „Never change a winning idea“?
Nikolaus Bachler: Nein. Mit dem Fallen des Vorhangs ist so eine „winning idea“ ja vorbei, das ist die Magie des Theaters. Nach der Vorstellung ist vor der Vorstellung, nach der Premiere ist vor der nächsten Premiere. Das gesellschaftspolitische Zentrum dieser Idee ist eigentlich Karl V.: 1933 wurde das Stück geschrieben, dann wurde es verboten und als entartete Kunst von den Nazis verjagt. Krenek wurde vertrieben. Das Stück wurde erst 1938 in Prag aufgeführt, im deutschsprachigen Raum erst nach dem Krieg. Ein Kaiser, der am Ende seines Lebens damit konfrontiert ist, was er geleistet hat - traurig aktueller geht's eigentlich gar nicht. Und die Quintessenz des Ganzen ist: dem Heilsbringer ist zu misstrauen, von Anfang an. Wir leben in einer Welt der grotesken Ausformung in Amerika und einer anderen gefährlichen in Russland. Von Ungarn bis Polen - wir leben in diesem Autokratismus, der da näherkommt. Ich glaube, dass das ein unglaublich wichtiges Thema ist.
BR-KLASSIK: Schauen wir auf das, was Kirill Petrenko macht in der nächsten Saison. Ich habe das Gefühl, dass es sehr akzentuiert ist. Wir haben den Otello schon erwähnt. Er macht die Salome, er macht ein Akademiekonzert mit der Missa Solemnis. Das sind großartige Sachen, aber sie sind punktueller. Sind das schon erste Berliner Spuren im Dienstplan von Kirill Petrenko?
BR-KLASSIK: Vergangenen Montag sind Ihre beiden Nachfolger offiziell vorgestellt worden. Serge Dorny und Vladimir Jurowski. Übergeben Sie diesen Staffelstab gerne?
Nikolaus Bachler: Ja. Ich habe die Philosophie der Marschallin im Rosenkavalier: leicht muss man sein mit leichtem Herzen und leichten Händen. Vor allem wenn es so eine schöne Zeit ist, dann verabschiede ich mich auch gerne. Das ist alles sehr in Ordnung wie das hier passiert und wir werden sicherlich einen sehr kooperativen Übergang machen. Ich kenne beide Herren sehr gut. Dorny kenne ich sehr lange, mit Jurowski arbeite ich und werde ich auch weiterhin noch arbeiten. Da ist eine Nachfolgeregelung sehr gut vorbereitet.
BR-KLASSIK: Glauben Sie, dass die beiden Persönlichkeiten und Charaktere auch so eine gute Einheit und eine gute Kombination ergeben können?
Ich verbiete es mir, jegliche Bewertung vorzunehmen und zwar aus einem einfachen Grund: So ein Übergang ist sehr sensibel. Es ist viel wichtiger, dass man hier sensibel mit der Sache umgeht. Für das Haus intern als auch für außen. Ich habe ein gewichtiges Wort in diesem Haus, und ich möchte überhaupt nichts belasten, weder in die eine, noch in die andere Richtung. Man weiß, dass ich dem sehr positiv gegenüberstehe und dass sich hier niemand fürchten muss vor einem Übergang. So offen, so positiv und so kooperativ gestimmt wie möglich sollen alle auch auf die Zukunft zugehen. Ich habe mich immer sehr darum bemüht, dass es auch gut weitergeht.