Eine bekannte Wagner-Oper auf einer viel zu kleinen Bühne. Trotzdem überraschte das Landestheater Coburg mit einem "Parsifal", der selten so jung und rollengerecht zu erleben ist. Am Sonntag feierte die Produktion Premiere.
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Da haben die Gralsritter wohl die Beleuchtung mit der Erleuchtung verwechselt. Vier Neonröhren setzen sie schon in Verzückung: "Wie hell grüßt uns heute der Herr". Eine merkwürdige Religion und anspruchslose Gläubige, zumal ihr Tempel aussieht wie eine Schlecker-Filiale beim Abriss. Die abgehängte Decke ist schon teilweise eingebrochen, die grauen Wände sind nackt und kahl, die Neonröhren flackern unzuverlässig, ein leerer Stuhl steht herum, der Müll landet in Plastiktüten, welkes Laub liegt herum. Mit Erlösung hat das alles nichts zu tun, eher schon mit einer Haushaltsauflösung, mit einer Abwicklung. Tatsächlich werden am Ende sogar der Heilige Gral und die Heilige Lanze so beiläufig entsorgt wie Omas Teegeschirr, reif für den Ramsch.
Die Ritter machen sich allesamt davon, die einstmals sündigen Blumenmädchen fangen an zu meditieren und Parsifal selbst, der Heilsbringer, wandert mutmaßlich nach Indien aus, jedenfalls ist er Buddhist geworden und trägt auffallend bunte Sanyassin-Klamotten. Regisseur Jakob Peters-Messer zeigte Wagners Bühnenweihfestspiel am Landestheater Coburg als großen Erlösungs-Ausverkauf, und kein Geringerer als der Dalai Lama wurde im Programmheft mit dem Satz zitiert, er denke manchmal, dass es besser wäre, wenn es gar keine Religionen mehr gäbe.
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Das Haus ist eben sehr klein, eigentlich zu klein für Wagner-Opern. Aber nicht, wenn so gut geprobt wurde wie in diesem Fall, was ganz besonders für den sehr engagierten Chor gilt. Die Sänger waren nicht nur überragend textsicher, sondern fast immer wortverständlich, was Wagner bekanntlich sehr wichtig war, er schätzte Deutlichkeit über alles.
Eine überzeugende Gesamtleistung, und eine kluge Besetzung. Selten ist ein so junger und rollengerechter Parsifal zu erleben. Tenor Roman Payer wirkte in der lässigen Kapuzenjacke tatsächlich wie ein nassforscher Teenager, wie ein gar nicht so "reiner Tor". Seine Gegenspielerin und Verführerin Kundry war hier eindeutig als Mutterfigur erkennbar, also wesentlich reifer und packend gespielt von der ungarischen Sopranistin Tünde Szaboki. Diese Kundry, es lässt sich nicht treffender ausdrücken, "kotzt alles an" im Ritter-Staat, das Leben, die Liebe, die Macht, der Glaube - sie will nur noch raus hier.
Ein erfrischend unverbrauchtes Regiekonzept, ganz ohne Bezüge zum radikalen Islam oder zum fundamentalistischen Christentum wie es gerade modisch ist, leider auch bei den Bayreuther Festspielen. Stattdessen eine optisch betont nüchterne Bestandsaufnahme unserer Zeit, die sich anders als das 19. Jahrhundert gar nicht mehr erlösen lassen möchte, sondern sich längst damit abgefunden hat, dass alles menschliche Streben unvollkommen und vergeblich ist. Für sein Glück ist jeder selbst zuständig, und der Coburger Parsifal schreitet entschlossen voran. Sein letzter Blick gilt dem sakralen Gerümpel der Vergangenheit. Dann haben die Neonröhren ihre Ruhe.
Richard Wagner: Parsifal
Bühnenweihfestspiel von Richard Wagner
Landestheater Coburg
Donnerstag, 13. April 2017, 17.00 Uhr
Sonntag, 16. April 2017, 16.00 Uhr
Sonntag, 23. April 2017, 16.00 Uhr
Sendungsthema aus "Allegro" am 11. April 2017, ab 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK