"Ich bin der Welt noch einen Tannhäuser schuldig", sagte Richard Wagner gegen Ende seines Lebens. Da gab es diese Oper zwar schon längst, aber keines seiner Werke hat Wagner so oft revidiert und bearbeitet wie den "Tannhäuser". Die Folge: ein Fassungs-Wirrwarr.
Wagner leitete sie höchstpersönlich vom Dirigentenpult aus: die Dresdner Uraufführung seiner Oper "Tannhäuser", die ursprünglich "Der Venusberg" heißen sollte. Vom 19.Oktober 1845 an blieb das Werk für immerhin drei Jahre im Spielplan des Dresdner Hoftheaters, bald auch mit Retuschen am letzten Aktfinale. Die Weimarer Erstaufführung 1849 leitete der berühmte Pianist und Dirigent Franz Liszt. Zur Verbreitung des Werkes trugen seine Klavierparaphrase und Hans von Bülows vierhändiger Klavierauszug bei. "Tannhäuser"-Aufführungen gab es in Kassel, Hannover, Karlsruhe, München, Berlin und Wien.
Die Dresdner Fassung erschien im Druck, bevor Napoleon III. die Pariser Erstaufführung anordnete. So kam 1861 eine revidierte, unter Mitarbeit von Charles Nuitter erstellte französischsprachige Fassung mit Ballett heraus ("Venusberg-Bacchanal"). In rückübersetzter deutscher Version fand diese Fassung 1867 in München auf die Bühne, jedoch mit unautorisierten Abweichungen. Nach nochmaligen kleineren Änderungen wurde 1875 Wagners "Tannhäuser"-Inszenierung der verdeutschten Pariser Fassung in Wien wegweisend. Hans Richter, der spätere erste "Ring"-Dirigent war daran beteiligt. Partitur und Klavierauszug erschienen nochmals im Druck. Seit 1891 ist das Werk auch im Repertoire der Bayreuther Festspiele, wo Cosima als Chefin sogleich die Wiener Fassung zur Diskussion stellte. Auch die aktuelle Münchner Produktion des Jahres 2017 folgt ihr weitestgehend.
Mit der stilistisch aus dem Rahmen fallenden, ausufernden Venusberg-Musik der Pariser bzw. Wiener Fassung war Wagner am Ende seines Lebens unzufrieden. Mit dem Gedanken einer nochmaligen Überarbeitung und Verdeutlichung dessen, was ihm vorschwebte, trug er sich bis wenige Wochen vor seinem Tod. Im Januar 1883 notiert seine Frau Cosima in ihr Tagebuch: "Abends Plauderei, welche Richard mit dem Hirtengesang und Pilger-Chor aus dem Tannhäuser beschließt. Er sagt, er sei der Welt noch den Tannhäuser schuldig."
Dass es keine autorisierte Fassung im eigentlichen Sinn gibt, ist umso bedauerlicher, als man weiß, dass Wagner diese Oper im Alter bedeutender fand als selbst den "Tristan" - trotz aller Fassungsproblematik. Der aktuelle Münchner "Tannhäuser"-Regisseur Romeo Castellucci meint, das Werk sei eine "Bewegung ohne Aussicht auf ein Ziel: Insofern konnte Wagner nie fertig werden mit diesem Stück, ganz gleich, wie oft er es auch umarbeitete."