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Kritik - "La forza del destino" mit Netrebko und Kaufmann in London Zwei Stimmen – eine Seele

Sie haben nur einmal ein paar "Traviatas" zusammen gesungen. So war diese hysterisch erwartete "La forza de destino"-Produktion am Royal Opera House nicht nur einer der Höhepunkte der Saison. Sie war ebenfalls das erste Zusammentreffen der beiden Superstars Anna Netrebko und Jonas Kaufmann in einer Premiere. Und die Erwartungen haben sich erfüllt, obwohl Leonore und Alvaro nur am Anfang und Ende der Oper aufeinandertreffen.

"La forza del destino" mit Netrebko und Kaufmann in London: Kritiker Manuel Brug im Gespräch

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Jonas Kaufmann hat die Partie des Mestizen Alvaro erstmals 2013 an der Bayerischen Staatsoper gesungen. Seit damals ist Zeit vergangen. Bei der Londoner Premiere am 21. März gab ein angegrauter Kaufmann nicht mehr den wilden Außenseiterrabauken, sondern einen vom Leben früh gezeichneten Soldaten. Der ist untröstlich, als er am Schluss zwischen Leichen sitzt. Er trompetet kaum mehr mit jugendlichem Furor die Töne heraus, sondern steuert sie souverän, mit stets kontrollierter Technik an, lässt sie an- und abschwellen, erfüllt souverän und musikalisch einen Charakter durch Noten. Gerade auch in den Duetten mit dem ihn hassenden, aber viel mehr Bühnenzeit mit ihm verbringenden Bariton. Ludovic Tézier, auch schon in München als Carlos mit von der Partie, ist ebenfalls noch grüblerischer, weicher geworden, hat sich aber für seine beiden Solonummern eine griffige Attacke bewahrt.

Netrebkos dunkel glühender Sopran

Anna Netrebko ist auf dem Höhepunkt ihrer Soprankunst: Ihr dunkel glühender Sopran schwingt sich entspannt und weich in hellste Höhen auf. Sie singt mit Gottvertrauen und zartesten Piani ihre Gebete, ist verzagt und verliebt, emphatisch und abgeklärt. Dabei gibt sie sich sensitiv im Spiel, wunderbar mädchenhaft rein, durchscheinend und verletzbar, ist aber durch nichts aus ihrer ebenmäßigen Gesangslinie zu bringen.

Emotionale Extremzustände

Jonas Kaufmann als Don Alvaro | Bildquelle: Royal opera House London / Bill Cooper Einfach nur erzählen, allem Wiedersinn zum Trotz: Christof Loy, der ästhetisch sichere unter den Regiepsychologen, hat das schon in Amsterdam gewagt und gewonnen. Dort kam die Produktion zunächst im Herbst 2017 heraus. Dabei ist Verdis "Macht des Schicksals" ein nur schwer zu schluckender Brocken. Dauernd wird da aus Versehen erschossen, Krieg geführt, auf Rache gesonnen, mit Messern gekämpft, auf Stand und Familienehre geachtet, der sich jedes Individuum bis zum Tod unterzuordnen hat. Hier lodern und wabern nur emotionale Extremzustände aus Liebe, Angst, Hass und Mordlust, gewürzt mit katholischer Verzückung und ewigen, ekstatisch gen Himmel gewendeten Anrufen an Gott und die Jungfrau Maria in Verklärungsgloriole – die solche Erdentrübheit nur noch schwärzer erscheinen lassen.

Zeitlos kahler Salon

Loy beginnt schon in der von Covent-Garden-Musikchef Antonio Pappano leise, aber intensiv gestalteten Ouvertüre mit seiner Geschichte: die Protagonisten als Kinder in einem zeitlos kahlen Salon. Schnell werden sie erwachsen. Noch zweimal hebt sich der Vorhang, erst kämpfen die beiden übrig gebliebenen Jugendlichen miteinander und fallen verliebt über einander her, dann starren sie sich als Erwachsene feindlich an. Schließlich folgen all die zufälligen Begegnungen, das Fehlen von Hauptfiguren über mehrere Bilder, die dumpfe Rachsucht, der passive Gottglaube. Dazwischen der spanische Bürgerkrieg als apokalyptischer Reigen, angeführt von seiner grellen Göttin, der Zigeunerin Preziosilla. Loy und der dienend sich seinem kargen Look anpassende Ausstatter Christian Schmidt zeigen diese heillose Welt als geschlossenes System.

Himmlische Längen – unaufdringlich gegliedert

Anna Netrebko als Leonora | Bildquelle: Royal Opera House London / Bill Cooper Antonio Pappano dirigiert diese "Forza" akzentsicher und effektbewusst, dabei biegsam und flexibel, nie grell überschraubt. Er gliedert unaufdringlich die himmlischen, einzig mit vokalen Mitteln die Zeit zum Stillstehen bringenden Längen. Er hält zusammen, was logisch auseinanderfliegt, greift immer wieder, auch in Erinnerungsmotiven, lange brachliegende Handlungsstränge auf. Sehr gut besetzt sind zudem die wichtigen Nebenrollen, die Veteranen Ferruccio Furlanetto und Alessandro Corbelli bringen als Padre Guardiano und Fra Melitone Zucht wie Witz ins ernste Geschehen. Nur die Preziosilla von Veronica Simeoni wirkt etwas matt und abgesungen; was aber zu dieser abgelebten Kriegsgewinnlerin gut passt.

Glückliche Einheit

Die Generalprobe hatte Jonas Kaufmann noch abgesagt. Doch jetzt waren er, eben zudem zum vierten Mal Vater geworden, und Anna Netrebko eine Tenor- und eine Sopranseele – die wir bald wieder zusammen erleben wollen. Dann aber in einem Stück, wo sie mehr miteinander zu tun und zu singen haben. Zunächst aber können sich auch die kartenlos Ausgegangenen auf die Kinoübertragung am 2. April freuen.

Sendung: "Allegro" am 22. März 2019 ab 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK

"La forza del destino" am Royal Opera House

Informationen zu Terminen und Vorverkauf finden Sie auf der Homepage des Opernhauses.