"Der Fliegende Holländer", gespickt mit asiatischen Elementen: Zum ersten Mal wurde im Oktober 2016 eine komplette Wagner-Oper im kleinsten Land Südostasiens aufgeführt. Die musikalische Leitung hatte Darrell Ang, ein junger Dirigent aus Singapur. Als Ehrengast wurde Wagner-Urenkelin Eva Wagner-Pasquier zur Premiere eingeladen - und war begeistert.
"Ich war zum einen überrascht und zum anderen skeptisch, als die Anfrage kam, eine Wagner-Oper in Singapur aufzuführen - wir haben ja in Singapur keine Wagner-Sänger", sagt der Dirigent Darrell Ang und wirkt erleichtert. Gerade hat er seine zweite von fünf "Holländer"-Vorstellungen im Victoria Theatre der südostasiatischen Metropole hinter sich gebracht. Die Produktion wurde von der Wagner Association Singapur organisiert, einem Teil des internationalen Wagnerverbands. Die Sänger mussten für diese Wagner-Produktion teilweise importiert werden: Es gab zwei Besetzungen, einen Wagner-erfahrenen "Foreign Cast" mit vier nicht-asiatischen Solisten und einen "Asian Cast" mit Solisten aus der Region - damit auch die lokalen Musiker die Möglichkeit bekommen, eine komplette Wagner-Oper zu singen.
Ich wollte das unbedingt schaffen, weil es ein wichtiger Meilenstein für dieses Land wäre.
Vor Darrel Ang im Orchestergraben sitzen Musiker aus Singapur, Vietnam, den Philippinen und Korea, die alle extra für diese Produktion zusammengetrommelt wurden. Für die meisten von ihnen ist es ihre erste Oper, genauso wie für den Chor, der eine Mischung aus Profis und Laien ist - und für die kurze Probenzeit schon ziemlich gut die deutsche Aussprache beherrscht. Auch für das Regie-Team ist Oper Neuland. Glen Goei inszeniert normalerweise Theaterstücke in Singapur. Für die Wagner-Produktion hat er sich ein Jahr lang Gedanken gemacht. "Uns war es wichtig, eine Oper auf die Bühne zu bringen, die für alle hier zugänglich ist", sagt Glen Goei. Also hat der Regisseur asiatische Elemente wie Schattentheaterfiguren in den "Fliegenden Holländer" eingebaut.
Singapur besteht aus vielen verschiedenen Bevölkerungsgruppen, die größten sind chinesischer, malaysischer und indischer Abstammung. Die Opernkostüme spiegeln diesen Kulturmix wieder: Der Holländer trägt ein imposantes rotes Gewand, das auch einer Chinesischen Oper entspringen könnte. Alle anderen Kostüme sind in schwarz oder weiß gehalten und mit südostasiatischen Mustern bedruckt. Der Chor trägt muslimische Hüte, wie man sie in Malaysia findet.
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Geistergeschichten - wie "Der Holländer" ja auch eine ist - sind in Asien sehr beliebt, die Wagner-Produktion kommt beim Publikum gut an. Viele sind zum ersten mal überhaupt in einer Oper. Die singapurische Mezzosopranistin Candice de Rozario glaubt allerdings, dass die meisten Leute in ihrer Heimat schon mit Wagners Musik in Berührung gekommen sind: "Man kennt auch hier den Walkürenritt in 'Apocalypse Now' und Wagners Musik taucht immer wieder in Filmen auf." Für Candice de Rozario selbst ist es auch die erste Oper - normalerweise tritt die Sängerin in Musicals auf. Jetzt singt sie im "Holländer"die Nebenrolle der Amme Mary, in ihrer Freizeit spielt sie gerne den Touristenführer für die europäischen Solisten, die zum ersten Mal in Singapur sind. Der gebürtige Münchner Andreas Hörl, der auch in Bayreuth singt, schlendert mit seiner neuen Kollegin durch die lebendige Großstadt - und staunt dabei über die uneingeschränkte Offenheit, mit der Wagner in Singapur empfangen wird: "Das ist wirklich verrückt, sie haben ja hier eigentlich mit dieser Musik nichts zu tun - und trotzdem hat diese Musik so eine Kraft, dass sie den Leuten gefällt und dass sie das unbedingt machen wollen."